Attila - Die Welt in Flammen
fügte jedoch hinzu, dass er als Mitgift die Hälfte des Reiches erwarte. Das wolle sie ihm gern geben, erwiderte sie.
So also kam es zu der Nachricht Attilas. Sie war todernst gemeint.
Gott sei Dank, dachte Aëtius bei sich, hat Galla Placidia nicht mehr miterleben müssen, wie ihre eigene Tochter mit Attila gemeinsame Sache machte! Konstantinopel hätte Honoria wegen Hochverrats am liebsten auf der Stelle erwürgen lassen, doch weitere hastige Verhandlungen führten zu einem anderen Ergebnis. Aëtius fand ja, dass das arme Mädchen genug gelitten hatte. Ein Fehltritt in frühester Jugend und ein tolpatschiger Versuch, den eigenen Bruder ermorden zu lassen – sollte damit das Leben schon vorbei sein? Warum um Himmels willen konnte man sie jetzt nicht mit irgendeinem betulichen Tattergreis verheiraten? Sie hier im Kaiserlichen Palast in Gesellschaft von Pulcheria, diesem alten Drachen, wie in einem Kloster einzuschließen, da war es nicht verwunderlich, dass sie davon träumte, Attila zu heiraten. Vermutlich stellte sie sich ihn als exotischen skythischen Feldherrn vor.
Theodosius gab den Befehl, und im Alter von neunundzwanzig Jahren wurde Honoria stattdessen mit dem neunundfünzigjährigen Fabius Cassius Herculeanus verheiratet. Dem Vernehmen nach war es eine sehr glückliche Ehe – nicht zuletzt deshalb, so das Gerücht, das bei Hofe umging, weil der Gatte sämtliche Augen zudrückte, was die zahlreichen und für sie eben typischen Ausschweifungen seiner Gattin anging. Kein Wunder, er interessierte sich hauptsächlich für Knaben.
Es war eine groteske, erbärmliche Angelegenheit. Schlimmer noch: Sie gab Attila den hauchdünnen Vorwand, den er brauchte, um den Westen anzugreifen, so wie die Strafexpedition zur Rechtfertigung seines Angriffs im Osten gedient hatte.
«Helena war der Grund für die Zerstörung Trojas», murmelte Aëtius, «und Honoria ist der Grund für diejenige Roms!»
Er las die Botschaft erneut.
Die letzte Zeile lautete: «Attila, mein Herr und auch der Eure, weist Euch an, einen Palast einzurichten, um ihn zu empfangen.»
* * *
Als Aëtius auf General Germanus stieß, saß dieser gerade in einem improvisierten Badezuber im Feldlager außerhalb Ravennas. Germanus’ Gesicht war ganz rot, er wirkte erhitzt und blickte verlegen drein.
Aëtius warf ihm ein Handtuch zu. «Schwing dich in den Sattel», rief er. «Attila ist unterwegs zu uns!»
* * *
Sie ritten in nördlicher Richtung auf der Via Flaminia; die Feldarmee war sichtlich angetan davon, sich endlich wieder in Bewegung setzen zu dürfen, weg von dem riesigen, armseligen und öden Feldlager – auch wenn sie nun der größten Armee entgegenritten, mit der Rom es je aufzunehmen hatte. Obwohl, wie es hieß, ein unglaublicher Unterschied in der Truppenstärke bestand, war es ein gutes Gefühl, einer von immerhin fünfundzwanzigtausend Soldaten zu sein.
Die zweitausend Mann der Palatinischen Garde, die Valentinian zähneknirschend nach viel Überredungskunst entlassen hatte, marschierten an der Spitze, sie trugen schwarz glänzende Rüstungen. Dann kamen die zentralen Legionen: die Herkulianer, fast sechstausend Mann, die ehemalige Zusatzarmee mit den charakteristischen goldenen Schilden, die mit schwarzen Adlern verziert waren; die Cornuti Seniores mit ihren weißen Schilden und dem roten Symbol in der Mitte; die Bataver, deren Schilde tiefrot waren und in der Mitte ein Relief gegen das böse Auge trugen – eine Hundertschaft bestausgebildeter
superventores
war auch darunter, eine spezielle Einsatztruppe, die wie alle Bataver in der Lage war, in voller Rüstung Flüsse jeglicher Tiefe schwimmend zu durchqueren, selbst bei Flut. Sie schlichen sich in der Nacht beim Feind ein, schnitten Dutzenden Männern die Kehle durch, banden Pferde los, entzündeten Feuer. Wurden sie richtig eingesetzt, konnten sie immensen Schaden anrichten.
Dann kamen die Mauri, die leichte Maurische Kavallerie. Die weißen Mähnen der Pferde und die weißen wollenen Gewänder aus feinstem Kamelhaar wehten im Wind um die Wette, ein wunderschöner Anblick. Die Pferde waren nervöse, launische Wesen, nur die besten Reiter wussten sie zu nehmen, aber sie konnten unglaublich schnell dahingaloppieren und waren, den fliegenden Mähnen und hoch aufragenden Schweifen zum Trotz, von beträchtlicher Zähigkeit. Leicht konnte man diese Berberpferde für nutzlose, allenfalls für Mädchen geeignete Reittiere halten, doch der maurische Pfeilschauer in vollem
Weitere Kostenlose Bücher