Attila - Die Welt in Flammen
Artillerie zu: «Konzentriert euch auf die Türme!»
Vom Nordwall kam Meldung über die auf dem Nebenfluss herangetriebenen Schiffe, die dort inzwischen mit größtem Selbstvertrauen Anker geworfen hatten, um ihren tödlichen Pfeilbeschuss auf Dauer fortzusetzen. Also ordnete Sabinus an, die Nordmauer zu räumen; an dieser Seite schützte sie das Wasser.
Die Straße vor der Porta Praetoria im Osten, die Via Lederatea nach Ratiaria, lag da wie ausgestorben. Keine Staubwolke weit und breit. Oben am Morgenhimmel kreisten Bussarde. Hilfe war nicht im Anmarsch.
Die beiden Männer auf dem Turm am Westtor, der Legat und sein
primus pilus
, behielten die herannahenden Türme aufmerksam im Auge. Dann sagte Tatullus leise: «Seht Ihr, was ich sehe?»
«Oh ja.» Sabinus lächelte ein wenig. «Amateure.»
So eindrucksvoll die Türme auch aussahen, die Hunnen oder die von ihnen versklavten Bauarbeiter und Zimmerleute hatten es versäumt, sie mit einer zureichenden Verschalung zu versehen. Sabotage womöglich? Die vier großen Holzräder, auf denen die Türme vorwärtsbewegt wurden, waren mithin dem Beschuss schutzlos preisgegeben.
«Lassen wir sie erst noch näher herankommen», sagte der Legat. «Zunächst ein wenig Scheinbeschuss.»
Er verließ den Turm am Westtor und eilte zum Turm an der Südwestecke. «Einheit III , Katapulte senken! Decurio, sorge für eine direktere Geschossbahn, damit die Turmspitze durch Flachschüsse getroffen wird. Katapulte alle auf gleiche Höhe ausrichten. Lasst sie auf zweihundert Meter herankommen, und dann Feuer frei auf die Türme. Welcher Winkel ist das?»
«Ungefähr zwölf Grad aus der waagerechten Lage, Herr.»
«Dann gib den Befehl.»
«Ich könnte Euch auch fünf Grad bieten, Herr. Wir würden sie dann auf hundert Meter treffen, mit viel mehr Wucht.»
Sabinus schüttelte den Kopf. «Ist schon viel zu nah. Dann nimm eben zehn Grad.»
Die Geschütze wurden entsprechend eingestellt.
«Und nicht auf den ganzen Turm zielen, sondern bloß die Spitze beschießen. Den Rest stecken wir in Brand.»
Der Einheit auf dem Nordwestturm erteilte er dieselben Anweisungen und inspizierte dabei nebenher rasch die Batterie, zwei große Armbrustgeschütze und zwei Katapulte auf massiven Eisengerüsten. Nachdem er dem jungen Offizier, der die Einheit befehligte, ein paar ruhige Ratschläge erteilt hatte, kehrte er wieder an seinen Posten auf dem Turm am Westtor zurück. Dem Feind genau gegenüber.
Als die Türme auf zweihundert Meter herangekommen waren, wurden die ersten Geschosse und Bolzen abgefeuert. Ihre Flugbahn hatte etwas erfreulich Brutales, Abgehacktes. So eindrucksvoll Schüsse über große Entfernung auch aussehen mochten, wenn Geschosse in hohem Bogen davonflogen und erst eine halbe Meile weiter weg niedergingen – über die Distanz verringerte sich ihre Durchschlagskraft ganz erheblich, und da das Geschoss bis zu zehn Sekunden brauchte, um sein Ziel zu erreichen, konnte der Feind es von Weitem kommen sehen und rechtzeitig ausweichen. Auf Sabinus’ Befehl hin aber erklang jetzt das leise, vibrierende Schwirren von Seilen aus Rosshaar, das Schnappen von Torsionsfedern, der dumpfe Aufprall des Wurfarms, worauf die schweren Geschosse aus Blei und Stein nahezu waagerecht von den Geschützen schnellten und schon ein, zwei Sekunden später mit brutaler Wucht in die Flanken der heranrückenden Türme einschlugen. Die gut geschulten Artilleristen bückten sich und stellten den Wurfwinkel ihrer Katapulte noch etwas genauer ein. Dann von Neuem das nervenzerrende Knarren der Torsionsfedern, die nächsten Schüsse. Und das laute Krachen, wenn die Kugeln und Bolzen ihr Ziel trafen. Größeren Schaden hatten sie indes noch nicht angerichtet, bis ein Geschoss mit viel Glück durch einen der schmalen Schlitze an einem der Türme sauste und ein Schrei aus dem Inneren auf einen Volltreffer schließen ließ.
Auf diese Weise würden sich die Türme nicht stoppen oder auch nur enthaupten lassen. Schon jetzt wurden die großen Zugbrücken aus Korbgeflecht heruntergelassen, dunklen und hungrigen Kiefern gleich, die vor den Zinnen des Kastells aufklappten.
Sabinus wartete noch ein wenig, die Hände fest um die Mauerbrüstung gelegt, bis der rechte Moment gekommen schien. Dann endlich brüllte er: «Jetzt! Untere Einheiten, Feuer frei auf die Räder!»
Sogleich eröffneten die Artillerieeinheiten auf der unteren Ebene der Türme mit vorbildlicher Disziplin ein heftiges Kreuzfeuer auf die Räder der
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