Attila - Die Welt in Flammen
fort. «Wie gerne, teuerster Freund, denke ich zurück an die glücklichen gemeinsamen Tage in Rom, damals, als wir noch Knaben waren. Wie treu standen wir einander bei in unserer jugendlichen Verlassenheit, in der Verbannung an jenem düsteren, freudlosen Kaiserhof, ein jeder von uns so fern der Heimat. Und mit welcher Betrübnis habe ich die Nachricht vom Ableben Deines edelmütigen Bruders Berich vernommen, damals bei jenem unseligen Jagdunfall.»
Selbst Orestes’ Augen funkelten vor Vergnügen, als er diesen Satz niederschrieb. Attila musste erst aufhören zu lachen, ehe er weitersprechen konnte. «An mir ist ein Hofnarr verloren gegangen», schnaufte er.
«Nun aber zu froheren Dingen. Der Angriff hat begonnen. Die hunnische Streitmacht, Deine treuen Verbündeten im Norden, ist auf ihrem Siegeszug bereits bis auf halben Weg nach Konstantinopel vorgestoßen. Die prahlerischen römischen Legionen sinken vor uns dahin wie Gras unter der Sichel. Ihre sittenlosen Städte gehen reihenweise in Flammen auf. Nichts und niemand kann uns aufhalten. Und daher wird auch kein römischer Angriff auf Dein eigenes Reich in Africa erfolgen, jenes so üppig gesegnete Land, das nach dem Ratschluss des Allmächtigen Gottes Dir zum rechtmäßigen Eigentum gegeben ward. Möge Dein Volk die Weisheit, Gerechtigkeit und Gnade Deiner Herrschaft preisen. Möge das ruhmreiche Geschlecht Geiserichs blühen und gedeihen. Mögen Deine Söhne immerdar durch ihren Scharfsinn glänzen.»
«Zu dick aufgetragen», wandte Orestes ein. «Seine Söhne sind geistesschwach, das ist allgemein bekannt. Einer schnattert so wirr vor sich hin, dass man sich gezwungen sah, ihn dauerhaft in einem Palastverlies anzuketten.»
«Ah. So. Dann ändere die letzten beiden Zeilen. Möge Dein Geschlecht sich immerdar durch seine Tapferkeit und christliche Rechtschaffenheit auszeichnen. Und möge Geiserich einst im Westen herrschen, wie sein ihm treu ergebener Bundesgenosse Attila im Osten herrschen wird, als Kaiser und Brüder in inniger Eintracht vereint.»
«Hm», sagte Orestes. «Das dürfte genügen.»
«Bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir beschließen, dich zu beseitigen und dein Reich dem unseren einzugliedern.»
Um Orestes’ Mundwinkel zuckte es heftig. Er legte die Feder aus der Hand.
«Oh ja.» Attila wischte sich die Lachtränen aus den Augen. «An mir ist wahrlich ein Hofnarr verloren gegangen.»
2. POLITIK UND ZAUBEREI
A ëtius war nach der Überfahrt kaum an Land gegangen, als sich seine schlimmsten Befürchtungen bestätigten.
«Herr, die Hunnen haben die Donau überschritten. Sie sind über das Stadtfest in Margus hergefallen.»
«Gut, danke.» Er nickte knapp und wandte sich zum Gehen.
Alles war bereit. Es war an der Zeit, anzufangen.
Es war an der Zeit für den Anfang vom Ende.
Er wandte sich noch einmal um, sah den Mann direkt an. «Und Viminacium? Kann das stimmen?»
«Unseren Kenntnissen nach ja, Herr. Dem Erdboden gleichgemacht.»
«Dann haben sie also schweres Belagerungsgerät?»
«Ja, Herr, sie oder ihre Hilfstruppen. Sollten die Meldungen zutreffen, haben sie die Mauern des Kastells innerhalb eines Tages und einer Nacht in Trümmer gelegt.»
Himmel. «Und die VII . Legion?»
Der Optio zuckte mit den Schultern. «Ausgelöscht.»
Erschüttert wandte er sich ab. «Das war eine gute Legion.» Dann fasste er sich wieder. «Zum Palast.»
* * *
Kaiser Valentinian bereitete ihm einen kühlen Empfang. «Mein guter, treuer Diener. Du bist sehr überstürzt zurückgekehrt.»
«So wurde es mir befohlen, Eure Majestät.»
«Das war gar nicht nötig.» Valentinian ließ sich Zeit, betrachtete eingehend seine Hände, die er vor sich auf dem Schoß ineinandergelegt hatte, streichelte sich versonnen mit dem Daumen über einen Handteller. Dabei summte er leise vor sich hin. Aëtius wartete geduldig.
Schließlich sagte Valentinian: «Es stimmt, die Hunnen haben ein wenig Ärger gemacht. Aber inzwischen konnte auf dem Seeweg und über den Fluss wieder Verbindung mit Ratiaria aufgenommen werden, sowie auf dem Landweg mit der östlichen Feldarmee in Marcianopolis. Sie rücken gerade in diesem Moment aus, um sich den Wilden entgegenzustellen. Möglich, dass sie sie bereits vernichtet haben.»
«Unter General Aspar?»
Valentinian riss ungehalten die Augen auf.
«Verzeiht, dass ich Euch unterbrochen habe, Majestät. Aber ihr Befehlshaber –»
«Die Feldarmee, alle fünf oder sechs Legionen, wird sich diesen Wilden, diesem lächerlichen,
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