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Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)

Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)

Titel: Auch dein Tod ändert nichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Rees
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der in einen kleinen Teich fließt. Ich sehe etwas Farbe aufblitzen. Fische.
    Sie stellt die Flasche auf ein Heft von
Haus & Garten
.
    »Wo sind sie, deine Mum und dein Stiefvater?«, frage ich.
    »Weggefahren«, antwortet sie und kneift die Augen zu Schlitzen zusammen, als sie eine der Selbstgedrehten anzündet, die Flamme des Feuerzeugs an das zugezwirbelte Ende hält. Sie inhaliert und stößt dann eine dünne Rauchwolke aus. »Wir haben ein Haus in Frankreich. Dahin sind sie.«
    »Und haben dich allein gelassen?«
    »Ich bin achtzehn, nicht acht. Außerdem denken sie sowieso, dass ich mit Freunden nach Cornwall fahre.«
    »Wie Martha und ihre Freundinnen?«
    »Ja. Wer’s glaubt, wird selig. Kannst du dir mich in einem Wohnwagen in Newquay vorstellen? Da kann man sehen, wie gut meine Mutter mich kennt.«
    Sie zieht an ihrem Joint.
    Vielleicht ist es das Gras, der Gedanke an ihre Mutter oder an Martha und ihre Freundinnen. Sie runzelt die Stirn und beißt sich auf die Lippe.
    »Wir könnten wegfahren, wenn du willst«, sage ich. »Ich hab ein Zelt. Also, ich weiß, wo ich eins herbekommen kann.«
    Das war ganz falsch.
    »Ich will wirklich nirgendwohin fahren«, sagt sie langsam und sehr deutlich, als ob ich ein bisschen beschränkt oder schwerhörig oder möglicherweise beides wäre. »Ich hab mir die Geschichte meiner Mutter zuliebe ausgedacht. Dann muss sie sich nicht schuldig fühlen und kann mich alleine lassen. Das ist ihr sowieso recht, sie mag ›die Kinder‹ dort nicht so gern dabeihaben. Es würde sie zu sehr einschränken.«
    »Was ist mit deinem Bruder?«, frage ich und versuche, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken. Ich möchte sie nicht wütend machen. Das ist nicht günstig, wenn man mit jemandem Sex haben möchte. So viel ist mir klar.
    »Stiefbruder«, verbessert sie mich. »Sie hat den armen kleinen Fiesling in irgend so ein Ferienlager für Fette verfrachtet.« Sie schmeißt den Joint weg, kommt rüber und setzt sich quer über meine Oberschenkel. »Und so bin ich ganz alleine.«
    Der Rattanstuhl stellt sich als irgendwie zerbrechlich heraus. Es gibt einen Knacks, der klingt, als würde das Rohr zersplittern. Wir beide lachen uns krumm und bewegen uns Richtung Wohnzimmer, wobei wir die Kleider hinter uns lasen. Als Nächstes gehen wir in die Küche.
    Sie will in jedem Zimmer des Hauses Sex haben, und es ist ein großes Haus. Wir landen schließlich in ihrem Zimmer, wo ich mehr oder weniger das Bewusstsein verliere.
    Als ich aufwache, ist sie nicht bei mir im Bett. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist. Es kommt mir vor, als wäre es sehr spät oder ziemlich früh. Es ist schwer zu sagen. Ich schalte das Lichtan und sehe mich um. Sie muss eine Gruftiphase durchgemacht haben. Ihr Zimmer ist reichlich düster. Die Wände sind lila und die Vorhänge schwarz.
    Eine Wand ist voller Bilder. Gesichter blicken auf einen herab, Gesichter, die ich nicht kenne. Sie sehen gut genug aus, um Filmstars zu sein, doch ich glaube nicht, dass sie welche sind. Sie sehen jung aus, aber es sind lauter Schwarz-Weiß-Fotos, als wären sie schon vor langer Zeit aufgenommen worden. Die Szenen könnten von heute sein: Demonstrationen, Polizei auf den Straßen, ein von einer Bombe zerstörter Wagen, und Leute, die wie in einem Kriegsgebiet über Trümmer, Leichen und ein Blutbad steigen. Doch das sind Bilder aus einer anderen Zeit, nicht von heute. In der Mitte befindet sich ein Symbol, das ich nicht kenne, darunter die Buchstaben RAF. Ich glaube nicht, dass das irgendwas mit der Royal Air Force zu tun hat. Deren Zeichen ist kein roter Stern mit einer Kalaschnikow.
    Da hängen auch eine palästinensische Fahne und neuere Bilder aus dem Internet von Leuten, die durch die Straßen von Kairo marschieren, von Kämpfen in Libyen und Syrien, von Demonstrationen in Gaza und auf der West Bank. In einer Ecke lehnt ein Bündel Plakate. An einem hängt ein Schutzhelm der Polizei wie eine Siegestrophäe. Darüber Farbfotos, die aus Zeitschriften gerissen wurden: Menschen, die durch London marschieren, eingeschmissene Fenster, Feuer auf den Straßen. Mittendrin hängt ein vergrößertes Zeitungsbild von Caro, die den Helm trägt, das Visier hochgeklappt, schreit und den Stinkefinger zeigt. Sie hat massenhaft Bücher, ganze Regalbretter voll. Kunstbücher, Gedichte, Romane und etliche über Politik und Philosophie   – Nietzsche, Karl Marx   … schweres Zeug. Von anderen habeich noch nie etwas gehört wie Bakunin und Carlos

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