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Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)

Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)

Titel: Auch dein Tod ändert nichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Rees
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mein Dad aus dem Haus gegangen und nie wieder zurückgekommen. Er ist wie üblich zu seiner Arbeit aufgebrochen, fuhr da aber gar nicht hin. Er ist schon eine ganze Weile nicht ins Büro gegangen. Tatsächlich gab es gar kein Büro mehr für ihn. Schon seit Monaten nicht. Er war wegen eines schwebenden Betrugsverfahrens gefeuert worden. Das alles kam erst später heraus. Wohin ist er gegangen, wenn er eigentlich bei der Arbeit sein sollte? Was hat er den ganzen Tag gemacht? Vielleicht ist er einfach in der Gegend herumgefahren, hin und her auf den Fernstraßen, hat in Cafés herumgesessen, hat auf Rastplätzen gewartet, bis der Tag rum war. Wer weiß das schon?
    An diesem Tag ist er wie an jedem anderen auch weggefahren. Ich würde gerne sagen, dass er uns zum Abschied geküsst hat, aber nichts dergleichen ist passiert. Sie sprachen nicht mehr miteinander. Schon eine ganze Weile nicht. Sie schliefen getrennt. Ich weiß noch, dass dem Gästezimmer deutlich anzusehen war, dass es bewohnt war. Seine Schuhe standen darin unter dem Bett. Sein Schlafanzug lag auf dem Kopfkissen. Seine Haarbürste auf der Kommode, zusammen mit etwas Wechselgeld, zerknautschten Taschentüchern und Müll aus seinen Taschen, alles lag dort, wo er es fallen gelassen hatte. Ich habe ihn kaum noch gesehen. Er war zum Schatten in seinem eigenen Haus geworden.
    »Er hat viel zu tun.« Das war alles, was sie sagte.
    Früher haben wir zusammen etwas unternommen, haben als Familie
Zeit miteinander verbracht. Picknick auf dem Beldom Hill. Meine Mutter hat dann ein Sonnenbad genommen, während ich mich den Abhang hinunterrollte. Er ist mir hinterhergerannt, hat mich hochgehoben und auf seinen Schultern wieder nach oben getragen. Er hat für mich Drachen steigen lassen und mir gezeigt, wie man sie tanzen lässt. Aber jetzt hatte er »viel zu tun«. Immer viel zu tun, sogar an den Wochenenden. Er ist nach Hause gekommen, wenn ich schon im Bett war, und losgefahren, wenn ich noch nicht aufgestanden oder anderweitig beschäftigt war – im Badezimmer oder beim Frühstück.
    Wenn ich an diesen letzten Tag denke, würde ich so gerne erzählen können, dass er mich auf den Kopf geküsst und mich sein kleines Hühnchen genannt, dann seine Frau auf die Wange geküsst und ihr einen schönen Tag gewünscht hat. Ich würde mir gerne vorstellen, dass ich zum Fenster gegangen wäre, um zu winken, oder am Ende der Einfahrt gestanden und beobachtet hätte, wie sein Wagen außer Sicht kam, so, wie ich das gemacht habe, als ich klein war.
    Aber das ist alles nicht passiert. Er ist einfach aus dem Haus gegangen. Wir haben nicht einmal bemerkt, dass er weggefahren ist. Er ist ins Auto gestiegen, in einen Wald ganz in unserer Nähe gefahren und hat sich in den Kopf geschossen. Ich war nicht genug, ihn am Leben zu halten. Schlimmer noch, ich habe es nicht einmal versucht. Irgendwie habe ich ihn im Stich gelassen. Wenn ich ihm gezeigt hätte, wie wichtig er mir war, dann hätte er sich vielleicht dafür entschieden, weiterzuleben. Aber noch viel schlimmer war das Gefühl, dass er mich nicht genug geliebt hatte, um am Leben zu bleiben. Das konnte ich nicht aus dem Kopf bekommen. Er hat mich völlig alleine gelassen. Nur noch sie und ich.
    Nachdem er weg war, war ich an allem schuld. Ich war schuld daran,
dass sie nicht ausgehen konnte. Wenn sie nicht ausgehen konnte, wie sollte sie dann jemand anderen kennenlernen? Mit den Schulden, die er ihr hinterlassen hatte, konnte sie sich keinen Babysitter leisten. Sie konnte sich gar nichts leisten. Alle ihre Freundinnen fuhren in Urlaub, auch das konnte sie sich nicht leisten. Doch selbst wenn sie es sich hätte leisten können, hätte sie mich mitnehmen müssen, und welchen Spaß hätte sie dann gehabt? Sie war zu jung, als dass ihr das hätte passieren dürfen, aber was spielte das für eine Rolle? Ihr Leben war vorbei. Er hätte uns alle genauso gut mit umbringen können.
    Manchmal wünsche ich mir, er hätte es getan.

20
    Ich lebe nicht wirklich, außer wenn ich mit ihr zusammen bin. Ich habe das Gefühl, vorher niemals richtig wach gewesen zu sein, als hätte ich mein Leben als Schlafwandler verbracht. Sie lässt alles in neuem Licht erscheinen.
    Ich glaube, dass ich sie liebe, sie wirklich liebe, doch wenn ich versuche, ihr das zu sagen, bringt sie mich zum Schweigen oder wechselt das Thema, sodass ich nicht weiß, was sie denkt oder empfindet.
    Ich komme nicht dahinter, woran ich bei ihr bin. Ich weiß nie genau, wohin wir

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