Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
Marighella. Die muss ich im Internet nachsehen. Wenn sie an der Uni Politik studieren will, wird sie mit Sicherheit einen Vorsprung haben. Und wenn ich auch nur eine Chance haben will, sie zu verstehen, muss ich ein paar Hausaufgaben machen.
Ich durchstöbere das Zimmer nach mehr Hinweisen. Es gibt keine persönlichen Fotos von ihr und ihrer Familie oder mit Freunden bei einer Party, nichts von dem mädchenhaften Schnickschnack, den Martha in ihrem Zimmer herumstehen hat. Ihr Make-up und so was muss sie im Badezimmer aufheben. Auf dem Schminktisch steht nichts außer einer Flasche Chanel. Auf dem Schreibtisch liegt ein Laptop. Ich bin in Versuchung. Das könnte aufschlussreicher sein. Ich lausche. Die Dusche läuft. Ich klappe ihn auf und boote hoch. Ich komme nicht über das Hintergrundbild hinaus. Roter Stern und Kalaschnikow.
»Das ist unanständig! Das ist persönlich!« Ich habe sie nicht reinkommen hören und zucke zusammen, auf frischer Tat ertappt. »Nicht dass du weitergekommen wärst. Alles ist mit einem Passwort geschützt.«
»Was ist das für ein Hintergrund?«
»RAF. Rote Armee Fraktion.«
»Wer sind die?«
»Waren. Wurden fälschlicherweise als die Baader-Meinhof-Gruppe bezeichnet.« Sie sagt das, als würde sie einen Vortrag halten. »Sie waren in den Siebzigern in Deutschland aktiv.«
Ich habe keine Ahnung. »Was haben sie gemacht?«
»Sie waren Stadtguerillas. Sie haben Banken ausgeraubt, gekidnappt, Leute umgebracht, Gebäude zerbombt. Alles, um das System zu zerschlagen. Das sind sie, da an der Wand.«
Ich schaue auf die jungen Gesichter auf den alten Schwarz-Weiß-Fotos.
»Wer ist das? Die da links?« Sie ist schön, ihr dunkles Haar ist auf etwas mehr als Kinnlänge geschnitten. »Sie ist dir sehr ähnlich.«
»Das ist Petra Schelm.« Sie kommt rüber und klappt den Laptop zu. »Ehrlich, Jamie. Es ist nicht in Ordnung herumzuschnüffeln.«
»Ist ja gut.« Ich drehe mich mit dem Stuhl herum. »Ich war nur neugierig.« Ich zeige auf das Bild von ihr mit dem Polizeihelm. »Du bist sehr fotogen.«
Sie nickt, als wäre das selbstverständlich. »Damals war das alles in der Zeitung.«
»Ich langweile mich. Komm, lenk mich ab.« Ich greife nach ihr, doch sie zieht den Bademantel um sich und schüttelt den Kopf.
»Nein. Zeit für dich zu gehen.«
»Aber du hast doch gesagt, deine Leute wären nicht da.«
»Sind sie auch nicht.«
»Und warum dann?«
Ich stehe auf und gehe zu ihr. Ich kann es nicht fassen, dass sie mich gerade rauswirft. Es ging doch nicht nur um Sex. Ich möchte neben ihr schlafen. Die ganze Nacht mit ihr verbringen. In einem Bett.
»Ich mag es nicht, neben jemandem zu schlafen«, sagt sie. »Ich muss alleine schlafen. Das hat nichts mit dir zu tun.«
Ich gehe zum Fenster und ziehe die Vorhänge auf. Im Osten verblasst der Himmel am Horizont, irgendwo in der Nähe hat ein Vogel angefangen zu singen.
»Es ist bald hell.«
»Dann ist es Zeit, dass du gehst.«
Ich spiele auf Zeit und nehme ein paar Steine in die Hand, die ich auf dem Fensterbrett herumliegen sehe.
»Lass die in Ruhe.«
Ich drehe sie hin und her und schaue mir die Zeichnungen darauf etwas genauer an.
»Was sind das für Steine?«
»Runensteine.«
»Ach du Scheiße!« Ich schüttele sie in den hohlen Händen. »Wofür brauchst du die?«
»Ich brauche sie für gar nichts. Es sind nur angemalte Kiesel. Leg sie wieder da hin, wo du sie gefunden hast.«
Ich lasse sie fallen.
Ich weiß auch nicht, was mich hier noch hält. Ich gehe bis zum Ende der Straße und kehre wieder um. Das Tor ist geschlossen. Keine Chance, wieder reinzukommen, das Licht der Alarmanlage blinkt, und ich habe einen langen Gang durch die Stadt vor mir, doch ich kann trotzdem nicht hier weg. Ich schaue durch die Stäbe. Kein Licht im Haus. Keine Bewegung. Ich blicke mich um, plötzlich nervös bei dem Gedanken an Überwachungskameras – das ist genau die Sorte Anwesen, bei der sie besonders auf verdächtige Typen achten, die da herumschleichen wie ich gerade. Meine erste Reaktion ist, die Kapuze überzustreifen, doch das würde noch verdächtiger wirken, und innerhalb weniger Augenblicke wären sie von der Dienststelle aus hier.
Ich bringe es nicht über mich wegzugehen. Ich setze mich auf eine Mauer in der Nähe, zünde mir einen Joint an und frage mich, was ich hier mache und warum ich das mache. Ihr nahezu sein ist nicht genug, aber es ist immerhin etwas, denke ich mir.
Ich bin ein bisschen weggetreten, habe die Augen
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