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Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)

Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)

Titel: Auch dein Tod ändert nichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Rees
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Schmiere stehen oder mir sogar helfen. Von wegen. Sie steht einfach da und blickt über den Fluss, als würde sie das Spiel der Lichter auf dem Wasser bewundern. Als ob das alles nichts mit ihr zu tun hätte. Sobald der erste Ton eines Martinshorns zu hören wäre, würde sie abhauen und mich die Suppe auslöffeln lassen. Unter Garantie. Ich weiß das, und doch ist es mir egal. Das ist der Preis, den ich bereit bin zu zahlen.
    Als sie glaubt, dass alles bereit ist, kommt sie das Ufer hinab zu mir, so ungezwungen, als wäre es Sonntagnachmittag. Ich warte so geduldig wie ein Fährmann, der ihr zu Diensten ist. Es ist gar keine Frage, wer hier das Sagen hat, und ich weiß das. Ich biete meinen Arm an, und sie lächelt, als würde sie wissen, was ich denke. Und das weiß sie ja auch.
    Ich nehme die Stange und lenke uns in die Flussmitte. Das Wasser gleitet unter dem flachen Boden des Kahns dahin. Die schwarze Oberfläche kräuselt sich in silbernen, orangen, roten und grünen Lichtreflexen. Die Wirkung ist hypnotisch. Ich versuche, nicht hinzusehen, sondern mich auf das zu konzentrieren, was ich mache. Sie schaut auf die vorbeigleitenden Lichtmuster.
    Sobald wir von der Brücke weg sind, sind wir außer Gefahr. Ich entspanne mich ein bisschen. Die Lichter der Stadt auf dem Wasser verblassen und werden von den matten Schatten der Bäume und vom silbrigen Licht des Mondes abgelöst. Am Ufer ist das Klatschen und Schwappen zu hören, das entsteht, wenn wir vorbeifahren, und das geheimnisvolle Rascheln kleiner Wesen im Gebüsch, das krächzende Rufen eines Wasserhuhns im Schilf. Ich höre, wie sich die Enten schläfrig auf einer freien Stelle des Ufers bewegen, aneinanderkuscheln und leise schnattern. Wir kommen näher. Die Insel ist als feste, dunkle Masse vor uns zu sehen. Ich kann das Rauschen und Gurgeln des Wehrs hören. Ich steuere uns unter die Weiden, finde die Stelle zum Landen, hole die Stange ein, springe hinaus und binde den Kahn fest. Wir sagen kein Wort. Wir halten uns nur fest an der Hand, während wir die Insel betreten.
    Die herunterhängenden Weidenzweige schließen sich hinter uns, rascheln zusammen wie bei einem Streifenvorhang. In dem Zelt, das die Blätter bilden, ist es dunkel. Ich stolpere über eine Wurzel und fluche.
    »Hätte doch eine Taschenlampe mitbringen sollen.«
    »Nein«, sagt sie, »keine Taschenlampen. Das hab ich schon vorher gesagt.«
    Ich nehme an, dass wir hier bleiben, doch sie führt mich weiter. »Ich möchte zu der anderen Insel«, sagt sie, »die auf der anderen Seite vom Wehr.«
    Das möchte ich überhaupt nicht. Tagsüber finde ich das schon schwer genug, geschweige denn bei Nacht, aber ich kann ihr nicht zeigen, dass ich Angst habe und es mir sogar widerstrebt. Sie fasst meine Hand fester und führt mich.
    Wasser stürzt über die gebrochene Schwelle, rauscht den steilen Beton hinunter, strudelt und schäumt weiß über der schwarzen Tiefe. Denn der Fluss ist tief unter dem Wehr, die Oberfläche gekräuselt von Wirbeln und voller Strömungen. Ein Ast stürzt hinab und kommt nicht mehr zum Vorschein.
    Leichtfüßig geht sie hinüber. Ich stehe da und beobachte sie. Ich sollte es ihr einfach nachmachen. Denke nicht darüber nach. Ich höre Robs Stimme im Kopf.
Mach es einfach. Du denkst zu viel nach.
Sie winkt mir, fordert mich auf. Ich laufe los.
    Auf halbem Weg wackelt ein Stein, kippt mich beinahe auf den Beton des Wehrs. Es ist jedes Mal derselbe, doch dieses Mal ist er noch weiter aus seiner Position verschoben. Ich verliere beinahe das Gleichgewicht und schwanke hin und her, während das dunkle Wasser unter meinen Füßen vorbeiströmt, so schnell, dass es glänzt und fest wirkt wie Glas. Es zischt, brodelt weiß und schäumend am Fuß des Steilhangs aus Beton. Jetzt sehe ich den Ast wieder auftauchen, herumgewirbelt und gestoßen wie ein Zweiglein im Wildwasser. Wie lange war er untergetaucht, sich immer und immer wieder überschlagend? Eine Minute? Zwei Minuten? Lange genug, um zu ertrinken.
    »Komm schon, schnell!«, ruft sie mir zu. »Lauf schnell. Schau mich an.«
    Sie streckt die Hand aus, kommt wieder zurück. Das Wasser strömt über und um ihre bloßen Füße. »Guck nicht nach unten.«
    Unsere Hände berühren sich nicht, aber es ist, als würde uns ein unsichtbares Seil verbinden. Sie geht zurück, während ich mich voranbewege. Sie erreicht das Ufer, und plötzlich bin ich neben ihr. Ich will das nicht, doch beinahe stoße ich sie um. Wir taumeln beide zurück

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