Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
Ich bin Theo.«
Er streckt die Hand aus, aber sein Blick bleibt hart und abschätzend, und das Lächeln reicht nicht bis zu den Augen.
Er ist älter, als ich zuerst dachte. In den dünner werdenden Haaren hat er graue Strähnen. Seine Bartstoppeln wirken wie Eisenspäne.
»Hab ich dich nicht schon mal gesehen?«
Ich schüttele den Kopf.
»Willkommen«, sagt er, doch ich glaube nicht, dass er das auch meint.
Er nimmt uns mit zu einer Frau, die ein Feuer angezündet hat. Bei ihr sind ein paar Kinder und ein Mischlingshund. Ihre blonden Haare sind zu langen Zöpfen geflochten, und sie trägt ein buntes Wickelkleid wie das, das Mum von ihrer Thailandreise mitgebracht hat. Sie wirft Schinken und Würstchen in eine Pfanne. Der Geruch lockt weitere Leute aus ihren Zelten.
»Hast du Hunger? Molly gibt dir gleich was zu essen«, sagt Theo zu mir. »Caro und ich müssen noch was klären.« Er wendet sich an Caro. »Gehen wir?«
Es ist völlig klar, dass ich nicht eingeladen bin.
»Du hättest uns beinahe verpasst«, sagt er. »Verpflichtungen anderswo. Wir müssen dort sein, wo es passiert. Weißt du, Caro, das könnte es sein … «
Dann sind sie außer Hörweite.
»Wie weit bist du, Molly? Ich bin am Verhungern.« Ein großer Mann mit Weste und ausgebeulter Piratenhose kommt zu uns ans Feuer.
»Ist gleich fertig.« Die Frau rüttelt die Pfanne.
»Hallo«, sagt er zu mir. »Ich bin Paul.« Er späht zu mir runter. »Warst du schon mal da?«
Ich schüttle den Kopf.
Er mustert mich kurz genauer, dann zuckt er mit den Schultern. »Ich hab nur gedacht – vielleicht hab ich dich schon mal irgendwo gesehen.«
»Kann schon sein«, antworte ich, obwohl ich da meine Zweifel habe. »Vielleicht verwechselst du mich mit jemandem.«
Ich will nicht daran denken, wer das sein könnte.
»Warst du mit Caro in der Dean Street?«, fragt Molly. Jetzt schauen mich beide an.
Wieder schüttle ich den Kopf. Ich kenne die Straße, gebe aber keinen Kommentar. Alle meine Freunde glauben, dass die Leute dort Junkies und Aussteiger sind.
»Na, egal. Schön, dass du da bist.« Paul hockt sich hin und gibt mir die Hand.
»Hier. Das sieht aus, als ob es fertig wäre.« Molly fischt mit der Gabel etwas angeschwärzten Schinken und ein Würstchen heraus, gibt beides in ein Brötchen und hält es mir hin.
Ich beiße ab. Das Würstchen ist in der Mitte noch rosa und das Brötchen alt.
»Wir durchsuchen Müll«, sagt sie als Entschuldigung oder Erklärung. »Wir sind Mülltaucher. Die Supermärkte schmeißen so viel weg. Noch ein Würstchen?«
»Nein, ich hab genug.« Ich lächele sie an und suche nach einer Gelegenheit, mein Frühstück dem Hund zu verfüttern.
»Ich will noch, Moll. Danke.« Paul ist nicht so pingelig. Er nimmt sich noch ein Würstchen.
»Magst du Kaffee?«
»Ja, gern.«
Molly gießt etwas von dem Gebräu in einen Blechbecher. Der Kaffee schmeckt besser als das Essen, aber ich möchte jetzt einfach gehen.
Doch ich muss auf Caro warten. Ich kann die beiden weiter vorne auf dem Strand sehen. Sie sind stehen geblieben. Caro zeichnet etwas mit einem Stock in den Sand. Dann blickt sie mit gerunzelten Augenbrauen zu Theo auf. Beim Sprechen neigt sie dazu, die Hände zu benutzen. Sie gestikuliert, schreibt Worte in die Luft. Er nickt, hört ihr aufmerksam zu. Dann redet er und sie hört zu. Sie kehren um und kommen zurück, immer noch ins Gespräch vertieft. Plötzlich schaut er auf und bemerkt, dass ich sie beobachte. Misstrauisch mustert er mich, als wäre ich irgendein Spion. Er sagt etwas zu Caro. Ihr helles und klares Lachen ist weit über den Strand zu hören.
»Danke für den Rat«, sagt sie, als er sie wieder bei uns abliefert. »Kein Problem. Ich gebe dir Bescheid, wo du uns finden kannst. Viel Glück, Caro.«
Er umarmt sie, dann hält er sie einen Augenblick lang ein Stückchen von sich entfernt. Da gibt es keine geheimen Zeichen oder so, doch es passiert etwas zwischen ihnen, etwas, das mir fehlt.
»Woher kennst du sie?«, frage ich, als wir zurück zum Wagen gehen.
»Oh, von Demonstrationen und Aktionen. Da lernst du die Leute kennen.«
»Und wer genau ist Theo?«
»Er ist ihr Anführer. Sie haben in einem Haus unten in der Dean Street gewohnt. Ich bin da oft gewesen. Für den Sommer sind sie hierhergekommen.«
»Dann warst du schon einmal hier?«
»Ein paar Mal.«
»Mit wem warst du hier?«
Sie runzelt die Stirn, als müsste sie nachdenken. »Charlie war dabei. Er ist mit Theo befreundet, und er
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