Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
Ich hämmere gegen die Tür. Nichts passiert. Vielleicht ist er ausgegangen oder aber, was wahrscheinlicher ist, er war in der Kneipe und schläft sich jetzt aus. Wie auch immer, ich bin hier, um etwas aus der Welt zu schaffen. Wenn er nicht da drin ist, dann warte ich. Zum Teufel mit Alan und seinem Job. Der Sommer ist sowieso bald vorbei. Ich gehe hier nicht weg, bevor ich eine Antwort habe.
Ich gucke nach dem Schlüssel, den Großvater immer unter dem Ziegelstein liegen hatte, dritter Geranienstock von links. Die Pflanzen sind verwelkt und abgestorben, trockene Blätter an kahlen braunen Ästchen, doch der Schlüssel ist immer noch da. Ich schließe auf. Der Flur ist still und dunkel. Ich rufe, aber es kommt keine Antwort. Ich gehe gerade durch den Flur zurück, als ich im Stockwerk über mir eine Bewegung mehr spüre alshöre. Als ob da oben jemand ist, unbeweglich an der Treppe steht und darauf wartet, dass ich wieder gehe. Da ist ganz eindeutig jemand.
»Rob?«, rufe ich. »Bist du da?«
Nichts. Nur Schweigen, doch das Gefühl, dass da jemand ist, ist jetzt stärker. Es muss nicht Rob sein. Allmählich macht sich Angst in mir breit. Vielleicht ist das ein Einbruch. Jemand ist da oben und ich habe ihn gestört. Da oben liegt alles Mögliche rum. Nicht nur Robs Sachen, sondern auch Großvaters Orden. Und seine Kanonen (die er nicht alle abgeliefert hatte). Ich bin kurz davor, stiften zu gehen, doch stattdessen packe ich das Geländer und steige nach oben.
»Was zum Teufel machst du denn hier?«
In einer grauen Unterhose steht Rob oben an der Treppe. Die Narben an seinem Bein sind deutlich zu sehen. Die Arme hat er verschränkt, die Muskeln unter seinen Tattoos wölben sich. Er hält sich fit, trainiert mit Gewichten, und das zeigt sich. Sein Körper glänzt vor Schweiß, als wäre er eingeölt, Die Bauchmuskeln riffeln sich ausgeprägt unter der mächtigen Brust.
»Ich bin hergekommen, um dich was zu fragen. Und dann hab ich gedacht, hier oben wäre jemand … «
»Ist ja auch so. Ich. Wie du siehst. Wie bist du reingekommen?«
»Mit dem Reserveschlüssel. Großvater hat da immer einen liegen gehabt.«
»Ach ja?« Rob runzelt die Stirn, als hätte er das gewusst, aber vergessen. »Also ich will nicht, dass jeder Arsch hier Tag und Nacht reinkommen kann. Du kannst den Schlüssel auf dem Tisch liegen lassen und gehen.«
»Nein. Da gibt es was, das ich wissen will.«
»Jetzt nicht, Jimbo.«
Er blickt hinter sich. Er ist nicht alleine. Hier oben ist jemand bei ihm. Das erklärt, warum er nicht reagiert hat, warum er mitten am Tag hier oben ist, warum er nur eine Unterhose anhat, den Schweißschimmer auf seinem Körper.
»Doch, jetzt.«
Ich gehe weiter die Treppe hoch, entschlossen zu sehen, wen er hier oben bei sich hat. Er kommt mir entgegen und versperrt mir den Weg.
»Ich hab gesagt, jetzt nicht!«
Er nimmt mich am Arm, dreht mich um und zwingt mich die Treppe runter. Im Polizeigriff führt er mich zur Haustür, reißt sie auf, und plötzlich bin ich draußen. Die Tür schlägt zu, und ich höre, wie die Sicherheitskette vorgelegt wird.
Hilflos trete ich zurück und blicke am Haus hoch. Die Vorhänge sind jetzt ein bisschen auseinandergezogen und er steht am Fenster und beobachtet mich. Ich kann eine Gestalt sehen, einen Umriss, den Schatten eines Mädchens. Sie kommt von hinten an ihn heran und legt ihm die Arme um die Hüfte. Das Gesicht kann ich nicht sehen, aber Silber blitzt in der Sonne auf. Sie trägt Armreifen. Sehr viele. Sie gleiten ihren Arm entlang, als sie ihn ausstreckt, um Rob zu umarmen.
Es könnte auch ein anderes Mädchen mit Armreifen sein, eine Menge Mädchen trägt Armreifen, aber ich weiß, dass es nicht so ist. Es hat die ganze Zeit in meinem Kopf gelauert, doch ich wollte es nicht wahrhaben. Ein ganz kleines bisschen hatte ich gehofft, davor verschont zu bleiben. Es ist, als säße man in einem Auto, das gleich einen Unfall hat. Ein Teil von einem beobachtet, sieht, was passiert, aber der Kopf kann das nicht akzeptieren,will nicht akzeptieren, dass es so ist. Tief im Innersten fühle ich mich krank.
Das ist schlimm. Dieses Gefühl hat man, wenn man etwas Unwiederbringliches verliert. Du weißt, dass es weg ist, aber du hältst immer noch danach Ausschau, gehst immer wieder an dieselben Stellen und kannst dir nicht eingestehen, dass es für immer weg ist.
Ich empfinde keine Wut. Irgendwie bin ich darüber hinaus. Der Verrat ist so tief, so vollständig, dass ich mich
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