Auch Deutsche unter den Opfern
Nacht!«
Es wirkt nicht gespielt oder auswendig gelernt, wie er nun räsoniert: Natürlich habe er in der Vergangenheit Dinge gemacht, die er besser hätte bleiben lassen. Aber es sei doch prima, dass ihm solche Fehler in frühen Jahren unterlaufen seien. Da wir nun schon mal in so schöner Beckmann-Stimmung sind: Wie war das eigentlich, sich mit Anfang 20 ins grelle Bühnenlicht zu stellen und selbstbewusste Reden zu halten, mit so aknevernarbter Haut – da will man doch weder ausgeleuchtet noch fotografiert werden. Das war wahrlich nicht leicht, sagt Westerwelle. Er ist jetzt nicht im Bühnenmodus, es gibt ihn also wirklich, diesen bescheidenen, angenehmen, intelligenten und lustigen Westerwelle, von dem man gerüchteweise immer mal wieder gehört hat. Und mit dem kann man richtig lachen über die Lebenszeit, die man schon bei Hautärztenverbracht hat, und wieder eine neue Salbe, wir probieren es jetzt mal mit Zink! Oder Schwefel. Und ein paar Monate später mit irgendeiner Säure, dann wieder mit Antibiotischem. Aber irgendwann komme man in das Alter, da akzeptiere man das eben – andere hätten viel schlimmere körperliche Gebrechen.
Das Telefon klingelt: Ob er noch in die Maske wolle vor dem Podiumsgespräch? Nein, sagt Westerwelle und lacht: Wo wir gerade beim Thema sind! Also, wenn es sich vermeiden lasse, verzichte er auf jegliche Maskenbildnerei, das bezahle man immer teuer, hinterher werde die Haut dann meistens rot und trocken und tue richtig weh.
Und das ist dann wirklich eine Überraschung: Für ihn, Guido Westerwelle, lieber keine Masken mehr. Die, das hat er schmerzlich erfahren müssen, bekommen ihm nämlich gar nicht gut.
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Frank-Walter Steinmeiers Sommerreise
Er kann auch kommunizieren, die Arbeitsgruppe war schon mit ihm auf der Straße, und er spricht dann mit den Leuten und fragt sie nach dem Weg, erklärt der Professor. An diesem zweiten Tag seiner Sommerreise steht Frank-Walter Steinmeier nun in der Technischen Universität München vor dem Roboter »Eddie«, und es ist der erste zarte Moment dieser Reise, deren einzelne Ziele so ermüdend symbolbeladen sind: Baustellen, Orte des Wandels, der Innovationen, der Vernunft – und natürlich auch solche der Fürsorge. Man sieht sie vor sich, die Strategen im Willy-Brandt-Haus, wie sie Fähnchen in eine Deutschlandwandkarte gepinnt haben: »So, Zukunft haben wir abgedeckt, soziale Verantwortung, Bildung – jetzt brauchen wir noch Kultur. Hat jemand eine Idee?« Und, so viel sei schon verraten, es hatte jemand eine Idee.
Aber als Steinmeier jetzt Eddie anschaut, entsteht tatsächlich mal ein ungeplantes Bild: der »Wer denn sonst?«-Kandidat der SPD, Aug’ in Augenattrappe mit der Figur, an der viele Menschen geschraubt und herumprogrammiert haben, auf dass sie möglichst humanoid wirke und dem Menschen diene. Gefühle, sagt der Professor und streichelt Eddies Glaskopf, habe er nicht, aber immerhin ein Emotion Display. Nachdem man Steinmeier viele Stunden zugehört hat, denkt man, Frank und Eddie könnten gute Freunde werden.
Am Wochenanfang hatte Steinmeier in Berlin seinen »Deutschland-Plan« vorgestellt, eine Stunde lang (das vor allem) über »die Arbeit von morgen« gesprochen, über »Politik für das nächste Jahrzehnt«. Man war wirklich gespannt – würden nun endlich mal Sätze kommen, die als Slogans taugen? Wucht, Energie, Witz, Attacke? Ein klarer Satz über Ulla Schmidt, in dem nicht das Wort »Bundesrechnungshof« vorkommt? Jetzt müsste es doch wirklich mal losgehen. Es wurde dann aber eine
typische Steinmeier-Rede, er hielt sich weitgehend an die ausformulierte Schriftform, und wenn er doch mal extemporierte, waren das rührende Halbsätze, mit denen er möglicherweise eine persönliche Beziehung zu all den Wörtern andeuten wollte: Ich bin mir sicher/Ich weiß das aus vielen Gesprächen/Wenn Sie so wollen/Ich bin davon überzeugt.
An den unpassendsten Stellen lächelte er, und die einmal gewählte Tonlage gefiel ihm wohl so gut, dass er sie nicht nennenswert variierte. Vor allem fragt man sich bei Steinmeiers Reden immer, warum er so seltsame Pausen setzt, Pausen, die weniger betonend als willkürlich wirken, ja beinahe ratlos. Oder hat er sich einfach als Außenminister zu sehr daran gewöhnt, immer mal kurz auf den Übersetzer zu warten? Auch schien das Redemanuskript durch zu vieler Berater und Ideengeber Hände gewandert, mit wenigen Änderungen wäre es für Merkel genauso verwendbar gewesen wie für
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