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Auch Du stirbst einsamer Wolf

Titel: Auch Du stirbst einsamer Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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wieder in die Zelle und fing an meinem Brot an zu nagen. Auf einmal kam ein anderer Gefangener herein und setzte sich zu Rudi und mir auf den Boden. Dann legte er eine Tüte vor uns hin und meinte, daß wir das Brot nicht trocken runterschlingen müßten. Als ich in die Tüte hineinschaute, war dort eine Packung Oliven und ein Stück Käse darin. Ich bedankte mich bei dem Mann und teilte mit Rudi das, was in der Tüte war. Als wir fertig mit Futtern waren, unterhielten wir uns noch ein wenig mit dem kleinen Mann, der uns das Essen gebracht hatte. Er war schon fünf Jahre in diesem Knast und hatte noch ein ganzes Jahr vor sich.
    Als ich ihn fragte, wie er das aushalte, sagte er nur zu mir:
    »Wenn man ein gebrochener Mensch ist, dann hält man alles aus, und dies hier ist nur noch eine Kleinigkeit.«
    Er erzählte mir, daß die Gefangenen geschlagen, manchmal bloß wegen einer Beschwerde, und so zugerichtet würden, daß sie tagelang nicht mehr laufen konnten, denn man band die nackten Füße der Gefangenen auf eine Stange und schlug auf die Sohlen, bis sie anschwollen. Manchmal hauten sie auch auf andere Körperteile, aber zum größten Teil bearbeiteten sie die Fußsohlen. Als ich das hörte, bekam ich fast einen Horror, denn ich konnte mir die Sache nicht so richtig vorstellen, wie die Beamten mit den Gefangenen umgingen. Die Sache war also unter aller Würde, und man konnte doch Menschen nicht so behandeln, nur weil sie einmal einen Verstoß gegen das Gesetz gemacht hatten.
    Er sagte mir aber auch gleich, daß sie uns nicht schlagen dürften, weil wir Ausländer seien und sie sonst einen Haufen Ärger bekämen. Wir könnten uns beschweren, ohne etwas befürchten zu müssen. Ich verstand das Flehen, das dieser Mann in dieser Aussage hatte, und ich nahm mir vor, mich zu beschweren bei dem Mann, der für dieses Zuchthaus verantwortlich war. Er war dazu da, damit sich die Gefangenen bei ihm auslassen konnten, aber die meisten hatten Angst. Der kam aber nur einmal im Monat, und wenn die zu ihm etwas sagten, mußten sie Angst haben, von den Beamten in die Mangel genommen zu werden. Dem wollte ich einmal so richtig meine Meinung zeigen und ihm sagen, was mir an diesem Knast nicht gefiel, und das war einiges. Der konnte sich auf etwas gefaßt machen, dachte ich mir. Dann wollte ich unter die Dusche, und der Mann zeigte mir, wo sie sich befanden. Es gab nur kaltes Wasser, und das lief aus einem Loch in der Wand, weil die Duschköpfe abgebrochen waren. Man mußte in das Loch, aus dem das Wasser floß, einen Schlauch stecken, damit man überhaupt duschen konnte. Das machte ich auch, und ich brach mir fast einen dabei ab, denn man mußte sich verrenken, um etwas naß zu werden, denn dieses Stückchen Schlauch war nicht lang genug, und das Wasser lief sehr dürftig. Die Toiletten möchte ich nicht groß beschreiben, denn sie waren unter aller Sau. Auf jedenfall waren es nur Löcher im Boden, es stank darin, weil es keine Spülung gab, und drei der vier, die dort waren, sind total verstopft gewesen. Wenn man dort hineinging, drehte es einem den Magen. In den Zellen gab es ebenfalls keine Toiletten, und ich fragte mich, was die Leute machten, wenn sie einmal nachts mußten, denn wir wurden alle um elf Uhr in die Zellen eingeschlossen. Ich fragte einen, wie sie das Problem lösten. Ganz einfach, meinte dieser sogar, nämlich man schiß und pißte in einen Eimer, und wenn morgens die Zelle wieder aufgemacht wurden, leerte man ihn eben aus. Und der Wahnsinn daran war, daß sie bis zu zehn Mann in einer Zelle waren, die vielleicht zwanzig Quadrat-meter hatte. Bei uns in der Zelle waren sechs Mann. Es waren ganz nette Kerle, und ich verstand mich ganz gut mit ihnen.
    Dieser Knast war also wirklich eine Schande, wie es sich ein Mensch, der in Deutschland oder einem anderen zivilisierten Land aufgewachsen war, überhaupt nicht vorstellen konnte. So hatten wir den ersten Tag in diesem Loch überstanden, und ich fragte mich, als ich auf meiner Decke lag, wie lange ich das aushaken würde, ehe ich durchdrehte. Als ich mich hingelegt hatte, kam mir der Boden gar nicht so hart vor, und ich stellte fest, daß man auch auf einer dünnen Decke schlafen konnte.
    Aber nach einer halben Stunde mußte ich mich laufend auf eine andere Seite drehen, denn mir taten die Knochen weh. Nur wenn man auf dem Bauch lag, konnte man es aushaken, denn in jeder anderen Lage drückten die Knochen. So lag ich eben nur auf dem Bauch und versuchte zu schlafen. Wenn

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