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Auch Du stirbst einsamer Wolf

Titel: Auch Du stirbst einsamer Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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Richtertisch abspielte. Der Mann im Zeugenstand wurde vom Richter, der in der Mitte saß, angesprochen, und der Angeklagte antwortete nur immer mit ein paar wenigen Worten. Ich dachte mir, daß dies die Personalien gewesen sein mußten. Dann sprach der Richter eine Weile und unterhielt sich noch mit den beiden anderen, die links und rechts von ihm saßen. Diese nickten auf einmal kurz, und der Richter sprach wieder zu dem Mann, der im Zeugenstand war. Als er fertig war mit der Laberei, haute er mit dem Hammer auf den Tisch, der Mann im Zeugenstand ließ den Kopf hängen, drehte sich um und verließ schnell den Saal. Ich wußte nicht, was dies bedeutete, und so gab ich dem Dolmetscher, der nur einige Meter von uns entfernt saß, ein Zeichen, das bedeutete, daß er einmal zu mir kommen sollte. Ich fragte ihn, was dies gewesen wäre, und er sagte mir, daß dies eine Verhandlung war. Der kleine Mann hatte nur seine Personalien gesagt und wurde daraufhin verurteilt. Sein Gegner war ein Geschäftsmann aus dieser Stadt, und er hatte keine Chancen gehabt vor dem Richter, auch wenn er recht hatte. Aber der Geschäftsmann hatte eben mehr Geld, und so bekam der Angeklagte kein Recht, sondern eine Geldstrafe, weil er die Unverschämtheit besessen hatte, einen Bürger, wie dieser es war, anzuzeigen. Die Personalien langten dem Richter, um ihn zu verurteilen, und ich meinte, mein Hamster bohnert. Man kann doch nicht einfach jemanden so verurteilen. Aber den Richter schien das wenig zu interessieren, denn er nahm schon die nächste Akte vom Stapel und rief einen Namen in den Saal hinein. Und wieder stand jemand auf und ging in den Zeugenstand. Es wiederholte sich genau so wie vorhin, und ich konnte nur noch mit dem Kopf schütteln.
    Als der Stapel immer kleiner wurde, war auch der Gerichtssaal wieder fast leer, und ich mußte feststellen, daß die ganzen Leute keine Zuschauer waren, sondern alles Angeklagte. Als nur noch eine Akte auf dem Tisch lag, sah ich im Gerichtssaal nur noch zwei Mann sitzen. Einer davon war unser Dolmetscher und der andere ein Zuschauer, denn auf einmal wurde mein Name gerufen. Ich fuhr zusammen, wie unter einem Peitschenhieb. Dann stand ich auf, und merkwür-digerweise war ich auf einmal so ruhig und gelassen, als wenn ich nur ein Kaffeekränzchen vor mir hätte. Dann wurde Rudi aufgerufen, der Übersetzer und unser Anwalt. Ich wurde gebeten, in den Zeugenstand zu treten. Das tat ich gelassen und locker, und ich hatte mir vorgenommen, mich nicht so abfertigen zu lassen von diesem Richter, wie er es mit den anderen gemacht hatte. Dort mußte ich meine Personalien aufsagen, die er mir zuerst vorgelesen hatte, aber so gut wie gar nicht aussprechen konnte. Dann schaute er mich eine Weile an, und ich erwiderte seinen Blick. Ich stand einfach da und hatte die Hände vorne auf dem Zeugenstand liegen. Ganz ruhig schaute ich dem Richter in die Augen, der sich anscheinend nicht sattsehen konnte an mir. Ich wollte ihn schon fragen, warum er mich so dämlich anschaute, als er auf einmal etwas zu dem Dolmetscher sagte. Der drehte sich danach zu mir und meinte:
    »Sie sollen dem Richter erzählen, wie sie nach Algerien gekommen sind.«
    Und ich fing an zu erzählen, die Story vom rosa Pferd, an der jedes zweite Wort gelogen war. Nach jedem Satz übersetzte der Dolmetscher:
    »Mein Freund und ich fuhren per Autostop von Frankreich nach Spanien. Bei Gibraltar setzten wir mit einem Fischerboot nach Marokko über. Dem Fischer hatten wir ein wenig Geld gegeben. In Marokko fuhren wir wieder per Autostop die Küstenstraße entlang, denn wir wollten bis kurz vor die algerische Grenze. Dort wollten wir umkehren und wieder zurück nach Frankreich gehen. Aber wir waren schon kurz vor Algerien, was wir nicht wußten und hielten einen großen Lastwagen an. Wir fragten den Fahrer nur, ob er in Richtung Algerien fahre, und er beantwortete die Frage mit Ja und forderte uns auf einzusteigen. Es war schon dunkel, und wir hatten den ganzen Tag auf der Straße verbracht. Wir stiegen ein und fuhren einfach mit. Da mein Freund und ich müde waren, und wir den Fahrer fragten, ob wir uns in die Kojen legen dürften, die er im LKW hatte, und er nichts dagegen einzuwenden hatte, legten wir uns hin und schliefen beide ein.
    Als wir wieder aufwachten, befanden wir uns in Algerien, nämlich kurz vor Oran. Da wir nun schon in dem Land waren, beschlossen wir, uns die Wüste anzuschauen, damit wir wenigstens etwas von Algerien gesehen hatten. Also

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