Auch Du stirbst einsamer Wolf
der Fall, denn ich wurde nur noch nervöser, als ich es schon war, und mir fingen an, die Knie weich zu werden. Wir mußten einfach aus diesem Scheißknast rauskommen, denn lange würde ich es darin nicht mehr aushaken. Ich war schon nach den ersten sechs Tagen total fertig und ich fragte mich, wie es wohl sein würde, nach ein paar Wochen. Dann wurden wir aufgefordert, die Zigaretten auszumachen, weil wir in den Gerichtssaal sollten.
Die Türe, vor der wir die ganze Zeit gewartet hatten, wurde geöffnet, und wir gingen hinein.
Als ich mich umschaute, stellte ich fest, daß kein einziger Mensch da war, außer die Bullen und wir. Ich schaute mir den Saal genauer an, und ich stellte fest, daß dort schon sehr lange nicht mehr abgestaubt worden war, oder schon lange keine Verhandlung mehr stattgefunden hatte. Auf den Tischen lag der Staub, und wenn man mit dem Fuß auf den Boden stampfte, dann staubte es gewaltig. Wir wurden zu einer Bank geführt, die von einer Holzbarriere umgeben war. Der eine Bulle öffnete eine kleine Schwingtüre daran, und wir mußten uns hinhocken. Da saßen wir nun in einem großen Gerichtssaal ganz alleine auf dem Sünderbänkchen, und meine Nerven waren zum Zerreißen angespannt. Ich fragte noch einmal Rudi ab, ob er auch alles noch wußte, was er dem Richter sagen sollte. Er hatte noch alles im Kopf, und unsere Aussagen waren so gut, weil wir sie uns regelrecht eingepaukt hatten, bis sie perfekt übereinstimmten.
Ab und zu lief jemand durch den Saal und verschwand in einer Türe, die hinter dem Richtertisch war. Eine ganze Weile saßen wir da, als auf einmal ein Mann hereinkam, auf seine Uhr schaute, an die große Türe des Gerichtssaals ging und sie öffnete. In den Saal flutete auf einmal die Sonne herein, und ich konnte auf die Straße sehen. Die Türe stand weit offen und jeder, der Lust hatte, konnte hereinkommen. Und es kamen ein Arsch voll Leute, denn in weniger als einer Viertelstunde war der Saal gerammelt voll. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß diese Leute alle gekommen waren, nur um unsere Verhandlung zu sehen. Es war doch wirklich nichts Besonderes, und dennoch waren soviel Menschen da.
Auf einmal kamen wieder zwei Leute aus der Tür, die hinter dem Richtertisch war, und einer von ihnen hatte eine schwarze Robe an. Der andere war normal gekleidet, und ich fragte mich, was sie für eine Aufgabe hatten. Sie kamen auf uns zu, und mir wurde es ein wenig unheimlich. Beide blieben vor uns stehen, und der eine sagte auf deutsch, was mich sehr verwunderte und mich fast von der Bank haute:
»Guten Tag!«
»Guten Tag!« antwortete ich ihm.
»Ich bin ihr Dolmetscher und das ihr Anwalt.«
Als ich das hörte, war ich fertig mit der Welt, denn ich hatte nicht damit gerechnet, daß wir einen Anwalt hatten und einen Dolmetscher. Der Anwalt war aber vom Gericht bestellt worden, weil unsere Briefe nicht abgeschickt worden waren, denn das hatte man vergessen. Es war die Schuld des Richters, und als er es merkte, war es schon zu spät, und damit er keinen Ärger bekommen würde, hatte er sich selbst um einen Anwalt bemüht. So hatte es mir der Übersetzer erklärt.
Als der Anwalt mit uns sprechen wollte, ging auf einmal eine Glocke, die über der Tür hinter dem Richtertisch hing. Der Anwalt verzichtete auf das Gespräch, und jeder ging an seinen Platz und blieb dort stehen. Auch Rudi und ich standen auf, genauso wie jeder andere auch, der anwesend war. Die Richter und alle, die etwas mit der Verhandlung zu tun hatten, kamen in den Saal. Es waren drei Richter, ein Staatsanwalt und ein Schreiber, die sich an die erhöhten Tische, die vor uns waren, setzten.
Der eine hatte einen ganzen Arm voll Akten, die er auf den Tisch legte, der andere schaute mit einem stieren Blick in den Saal, und der Richter in der Mitte haute mit einem Hammer auf die Platte, daß ich meinte, der Laden würde zusammenbrechen.
Dann durften wir uns alle wieder hinsetzen, und ich dachte, wir würden gleich in den Zeugenstand gerufen, der genau vor den drei Richtern war. Der Richter in der Mitte nahm eine Akte vom Stapel und schrie einen arabischen Namen in den Saal hinein. Zwischen den Zuschauern stand ein Mann auf und ging nach vorne in den Zeugenstand. Ich dachte, ich sehe nicht richtig, denn dies waren anscheinend alles Akten von anderen Leuten und nicht unsere. Das war ein Ding der Unmöglichkeit, denn es waren mehr als zwanzig Fälle, so wie ich den Stapel schätzte. Gespannt schaute ich, was sich vor mir am
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