Auch Du stirbst einsamer Wolf
setzte. Gemütlich hielt ich weiter meine Zeitung oben und las, als mich der Mann ansprach. Erst auf französisch, worauf ich nicht reagierte, da ich in Ruhe die Zeitung lesen wollte. Aber als er mich auf einmal auf deutsch ansprach, holte ich tief Luft und nahm dieses deutsche Käseblatt runter.
»Sind Sie Deutscher?«
»Ja, aber ich lebe in Marseille.«
»Sind Sie schon lange in Frankreich?«
»Allzulange noch nicht.«
»Verstehen Sie kein Französisch?«
»Doch schon, aber ich war gerade in die Zeitung vertieft.«
Mir kam die Sache schon vor wie ein Verhör, denn der andere fragte nur und stellte sich nicht vor. Auf einmal sagte er:
»Ich heiße Peter Steiger und bin Österreicher.«
»Freut mich, ich heiße Fritz Mertens.«
Nun wußte ich wenigstens, daß er aus Österreich war und wie er hieß. Also ein Bulle war er jedenfalls nicht, denn ich hatte noch nie einen österreichischen Bullen in Frankreich gesehen.
Außerdem war er nicht gerade besonders angezogen und unrasiert. Er machte einen richtigen gehetzten Eindruck, als wenn er vor irgend etwas Angst hätte, denn er schaute sich pausenlos in der Gegend um. Wir sprachen eine ganze Weile über Deutschland und Österreich, als er auf einmal sagte:
»Scheiße, ich muß verschwinden.«
Ich wußte nicht, was das zu bedeuten hatte. Also schaute ich mich kurz um und ich sah, daß vor dem Café zwei Bullen standen und sich unterhielten. Vor diesen beiden ging ihm die Muffe und nun wußte ich auch, daß er gesucht wurde, denn wer solche Angst vor der Polizei hat, ist auf der Flucht und hat etwas angestellt. Ich reagierte sofort und sagte zu ihm:
»Wenn es einen Hinterausgang gibt, dann verschwinde durch ihn!«
»Es gibt einen, aber ich weiß nicht, wohin ich gehen soll.«
»Warte am Anfang der Rue de Rom auf mich. Ich komme gleich nach. Vielleicht bin ich schon vor dir dort.«
»Okay, mache ich. Also, ich warte auf dich.«
Er stand auf und verschwand hinter der Türe, auf der »WC«
stand. Dort mußte irgendwo der Hinterausgang sein. Als er weg war, rief ich den Kellner und bezahlte die Rechnung. Dann machte ich mich ebenfalls aus dem Staub, aber nicht durch die Hintertür. Langsam und gemütlich, als wenn ich nichts zu befürchten hätte, ging ich aus dem Café und an den Bullen vorbei. Aber die Polizisten beachteten mich nicht, und so ging ich zum Wagen, den ich in der Nähe des Cafés geparkt hatte, setzte mich hinein und beobachtete aus den Augenwinkeln die Bullen. Dann fuhr ich zur Rue de Rom, an der Peter schon wartete. Ich fuhr an den Randstein heran und hupte kurz. Er reagierte sofort und kam auf den Wagen zu, stieg ein und atmete erleichtert auf. Ich fuhr noch ein wenig durch die Stadt und machte vor Salems Wohnung Halt. Dann nahm ich ihn mit hoch, und er erzählte mir, warum er gesucht wurde. Ich hatte mich geirrt, denn er hatte kein krummes Ding gedreht. Er war von der Legion desertiert und deshalb zur Fahndung ausgeschrieben. Auf Deserteure waren die Bullen scharf, da sie teilweise ausgediente Legionäre und dem öffentlichen Dienst beigetreten waren, und so konnte ich mir gut vorstellen, wie sie ihn durch die Gegend hetzten. Er zeigte mir seine Militärpapiere, und ich stellte fest, daß er schon drei Jahre Dienst hinter sich hatte. Nach drei Jahren war er also abgehauen, und wenn sie ihn erwischen täten, würde es ihm sehr dreckig gehen.
Er hatte einfach die Schnauze voll, da er sich nicht mehr anschnauzen lassen und durch den Dreck kriechen wollte. Als er mir alles erzählt hatte, fragte er mich:
»Kannst du mir nicht irgendwie helfen?«
»Kannst du noch nach Österreich zurück?«
»Nein, dort suchen sie mich, weil ich unterhaltspflichtig bin, und wenn sie mich dort erwischen, komme ich gleich in den Knast.«
Er war also wirklich arm dran, denn er wurde überall gesucht und wußte sich nicht mehr zu helfen. Auf die Straße konnte ich ihn nicht einfach setzen, denn sonst würde ich ihn der Polizei in die Hände spielen. Was sollte ich also mit ihm machen?
Ich mußte ihn bei mir behalten, bis sich die Sache ein wenig beruhigt hatte. Deshalb sagte ich zu ihm:
»Du kannst vorläufig hier bleiben. Aber ich will dir gleich sagen, daß dies nicht meine Wohnung ist.«
»Wem gehört sie denn?«
»Einem Freund von mir. Der ist zur Zeit in Nice und ich weiß nicht, wann er zurückkommt.«
»Aber ich kann hier bleiben?«
»Ja, vorläufig auf jeden Fall. Wir werden schon eine Lösung finden.«
Er freute sich wie ein kleines Kind und
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