Auch Du stirbst einsamer Wolf
vielleicht seine verstorbene Frau und das Kind ein wenig vergessen und wieder das haben, was er brauchte und vermißte.
Salem gab mir die Schlüssel seines Wagens und machte mir das Angebot, seine Wohnung zu benutzen, solange ich sie brauchte. Ich nahm das Angebot an, denn ich wollte unser Geschäft weiter betreiben, wie wir es bisher gemacht hatten.
Ich hatte keinen Führerschein, und deshalb fuhr Nathalie bis nach Cassis. Dort stieg sie aus, da sie in Cassis wohnte. Ich wußte nicht, ob sie bei ihren Eltern lebte oder eine eigene Wohnung besaß. Ich hatte ihre Telefonnummer, und ich mußte ihr versprechen, sie sobald wie möglich anzurufen und mich bei ihr sehen zu lassen. Das letzte Stück nach Marseille fuhr ich alleine, und ich hielt erst an, als ich vor Salems Wohnung stand. Während der Fahrt hatte ich Angst, daß mich die Polizei anhalten und mich nach den Papieren fragen könnte. Ich war total verschwitzt, als ich ankam, obwohl es nicht warm war an diesem Tag, denn wir hatten erst Februar.
In Salems Wohnung angekommen ging ich zuerst duschen, damit ich nicht stank wie ein Igel. Danach setzte ich mich in einen Sessel, mit einem Whisky in der Hand und dachte nach.
Ich wußte, daß ich für Ted einen Ersatz brauchte, da ich das Geschäft nicht alleine machen konnte. Dieser Ersatz mußte so schnell wie möglich her, denn Salem würde das Geschäft nicht mehr machen, da er nun bald in festen Händen war und sein altes Leben, das er bisher geführt hatte, aufgeben würde. Salem würde ich bestimmt sehr vermissen, denn er war wirklich ein Kamerad, wie man ihn selten findet. Aber mein größtes Problem war der Ersatz für Ted, und ich fragte mich, woher ich ihn nehmen sollte. Eine ganze geschlagene Stunde saß ich im Sessel und überlegte, wie ich dieses Problem lösen sollte, aber mir fiel ums Verrecken nichts ein. Als ich Hunger hatte, beschloß ich, irgendwo etwas Essen zu gehen. Also zog ich mich an und machte mich auf den Weg zum Hafen, da ich dort ein Lokal kannte, das hervorragend war. Unterwegs lief ich an dem Park vorbei, in dem immer die Clochards saßen und sich besoffen. Da schoß mir ein Gedanke durch den Kopf, den ich schon einmal hatte. Vielleicht konnte ich einen von diesen Jungs dazu bringen, bei mir mitzumachen. Nun war aber wieder die Frage, wie ich das anstellen sollte. Ich konnte doch nicht einfach hingehen und einen fragen, ob er Lust hätte, ein Verbrecher zu werden. Da ich noch genug Geld hatte, hatte ich auch noch genug Zeit, mir etwas einfallen zu lassen. Ich schaute den Clochards eine Zeitlang zu, wie sie sich sinnlos die Rotweinpullen in den Schädel knallten und in diesem Park herumlungerten. Als ich genug von diesem Anblick hatte, ging ich weiter. Sie taten mir irgendwie leid, denn sie hatten alle keine Heimat mehr, oder besser gesagt, kein Zuhause, wie es viele auf der Welt besitzen. Ich hatte einmal ein Buch über Clochards gelesen, und deshalb konnte ich mir vorstellen, wie diese armen Teufel, die sie wirklich waren, sich durch das Leben schlagen müssen. Darin stand auch, daß die meisten nie wieder von der Straße wegkommen würden, da ihnen niemand half. Wenn sie es dann ein paar Jahre gemacht hatten, dann waren sie abgesoffen und hatten nur noch den einen Gedanken, zu saufen und irgendwann zu sterben. Diesen Menschen ging es dreckig, und ich finde es bedauerlich, daß sich andere Leute mit Geld den Arsch abwischen können und die Clochards dahinvegetieren und langsam krepieren müssen. Ich selbst hätte nie auf der Straße sitzen und betteln können, wie es diese Leute machten, denn dies wäre für mich eine Erniedrigung gewesen, die ich mir nicht hätte vorstellen können. Vorher würde ich mir eine Kugel in den Kopf hauen, hatte ich mir geschworen, und das stand für mich auch fest.
Ich ging also essen, und selbst während des Essens überlegte ich, wie ich einen dieser Jungs dazu bringen könnte, bei mir mitzumachen. Der Gedanke ging mir nicht mehr aus dem Kopf, und ich zermarterte mir krankhaft den Schädel, aber mir fiel nichts ein. Am Abend rief ich Nathalie an, da ich jemanden brauchte, mit dem ich mich unterhalten konnte. Ich machte mit ihr aus, daß wir uns im »Big-Ben« von Cassis treffen würden.
Also setzte ich mich ins Auto und fuhr zu unserem ausge-machten Treffpunkt. Bei der zweiten Fahrt ohne Führerschein hatte ich weniger Angst, von den Bullen erwischt zu werden.
Das ist immer so, daß man beim erstenmal Angst hat, und wenn man es öfters macht, dann
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