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Auch ein Waschbär kann sich irren

Auch ein Waschbär kann sich irren

Titel: Auch ein Waschbär kann sich irren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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vielleicht, begnadigt werden — und das war es, was ich nicht wollte. Wer immer Bill getötet hatte: er sollte den gleichen Weg gehen, genauso unbarmherzig, genauso einsam. Auch Bill hatte, als der Mörder das Todesurteil vollzog, keinen Verteidiger gehabt. Jetzt hatte er ihn. Mag sein, daß sich meine Gedanken mit manchen Ansichten, die heute unser Leben bestimmen, nicht vertragen: ich fand sie richtig und war entschlossen, danach zu handeln.
    Vor einem der neuen Straßencafés hielt ich an. Sie schießen nach Pariser Muster in letzter Zeit wie Pilze aus dem Boden. Ich setzte mich an ein kleines Tischchen neben der Straße, bestellte Kaffee und rief die Redaktion an. June war nicht mehr dort. Auch unter ihrer Privatnummer konnte ich sie nicht erreichen.
    Hierauf blätterte ich im Telefonbuch, bis ich die Adresse von Benjamin Rogers gefunden hatte. Er wohnte in West Los Angeles, Idaho Avenue.
    Ich stärkte mich nach dem Kaffee, der nicht hielt, was die Aufmachung versprochen hatte, mit einem doppelten Whisky. Anschließend fuhr ich nach West-Los Angeles.
    In der Idaho Avenue stehen die kleinen kalifornischen Holzhäuser, einstöckig, eins wie’s andere aussehend, mit kleinen Vorgärten, die sich auch alle gleichen.
    Vor dem Hause Nummer 31 war ein etwa sechsjähriges Mädchen gerade damit beschäftigt, einen großen schwarzen Hund mit langen Haaren in einer Zinkwanne zu baden. Dem Hund machte diese Prozedur offensichtlich weniger Spaß als dem kleinen Mädchen.
    »Na«, sagte ich, »dein Hund hat ja mächtig Angst vor dem Wasser.«
    »Och nö«, sagte sie, »Angst hat er nicht, er mag’s nur nicht sehr gern.«
    »Aber es ist ein sehr schöner Hund«, fuhr ich fort, »wie heißt er denn?«
    »Nero.«
    »Das ist auch ein schöner Name, besonders für einen schwarzen Hund. Und wie heißt du?«
    »Olivia.«
    »Der Name ist noch viel schöner. Bist du Olivia Rogers?«
    »Ja. Und Großvater heißt Oliver. Lustig, nicht? Mammi hat sich das ausgedacht. Wollen Sie zu Pa?«
    »Hm... ja.«
    »Er ist aber verreist. Sind Sie ein Klient?«
    »Ja.«
    »Pa sagt, die Klienten zahlen alle so schlecht.«
    »Die meisten vielleicht. Ist dein Vater schon lange fort?«
    »Seit Dienstagabend«, sagte sie. »Er ist weit weg, weil er dort viel Geld verdient, hat er gesagt.«
    Der Hund schüttelte sich und besprühte uns beide.
    »Pfui, Nero!« rief Olivia, »so was tut man nicht! Heute ist Samstag, und außerdem hast du dich im Dreck gewälzt.«
    »Ist deine Mutter zu Hause?«
    »Ja, drin. Soll ich sie rufen?«
    »Nein, danke, ich werde sie schon finden.«
    Ich bog um die Ecke zum Eingang, der an der Schmalseite des Hauses lag, und klingelte.
    Eine Frau von knapp dreißig Jahren machte mir auf. Sie trug eine einfache graue Bluse und einen grauen Rock. Sie sah eigentlich nicht aus wie eine Witwe, die um ihren Mann trauert.
    »Mrs. Rogers?« fragte ich zögernd und überlegte dabei, ob es möglich sein konnte, daß man sie noch nicht vom Tode ihres Mannes verständigt hatte.
    »Ja«, sagte sie.
    Da mir nichts Besseres einfiel, sagte ich: »Ich bin Fred Harper.«
    Ihre grauen Augen musterten mich ohne Anteilnahme.
    »Kommen Sie bitte herein«, sagte sie und hielt mir die Tür auf. Ich trat ein, und Mrs. Rogers führte mich in ein Zimmer, von dem aus man den Garten und die Straße sehen konnte. Am breiten Fenster stand ein großer Schreibtisch, und an den Wänden standen Regale voller Bücher.
    »Wollten Sie meinem Manne einen Auftrag erteilen?«
    »Ja... ja, das wollte ich, aber... Ihr Töchterchen sagte mir, Mr. Rogers sei verreist.«
    Sie blickte starr an mir vorbei in den Garten hinaus, wo das Kind soeben den Hund mit einem bunten Badetuch abrieb.
    »Sie weiß es noch nicht«, flüsterte sie kaum hörbar, dann wandte sie sich mir zu:
    »Mein Mann ist tot. Ich habe es Olivia noch nicht gesagt. Gestern vormittag holte mich die Polizei. Er ist ermordet worden. Ich bringe es einfach nicht fertig...«, sie wandte sich wieder dem Fenster zu, »ich bringe es nicht fertig, dem Kind die Wahrheit zu sagen. Ich kann nicht einmal Trauerkleidung anziehen.«
    Wieder blickte sie mich an, mit dem gleichen abwesenden, starren Blick.
    »Sie werden sich einen anderen Detektiv suchen müssen.«
    »Ich habe Sie angelogen, Mrs. Rogers«, sagte ich. »Ich heiße nämlich nicht Fred Harper, sondern James Warner und ich...«
    Ich brach jäh ab, weil sie mich anstarrte, als sehe sie ein Gespenst vor sich. Schritt um Schritt wich sie vor mir zurück. Wie zu einem

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