Auch ein Waschbär kann sich irren
weiter:
»Wir saßen nach dem Essen hier auf der Terrasse. Paps war dienstlich unterwegs. Plötzlich nahm Bill eine Zeitung vom Tisch, blätterte darin, und dann las er mir ein Inserat vor. Ich hörte erst nicht recht hin. Ich weiß nicht mehr, was in dem Inserat gestanden hat, aber Bill sagte, dieses Inserat sei genauso gut wie Dynamit: ich werde damit einen ganzen Konzern in die Luft fliegen lassen. Das war am Sonntagabend, und Montagnacht verunglückte er.«
»Haben Sie die Zeitung noch?« fragte ich.
»Wir hatten sie schon weggeworfen, aber am Dienstagabend besorgte ich mir die Nummer noch einmal und studierte sämtliche Inserate. Aber — zu dumm, daß ich nicht besser auf gepaßt hatte!«
»Kann ich die Zeitung einmal sehen?«
Das Mädchen stand auf und verschwand im Hause. Lennox beobachtete mich. Sein Gesicht hatte einen wachsamen, gespannten Ausdruck.
»Haben Sie eine Vermutung, Mr. Warner?«
Ich lächelte ihn an.
»Wie sagten Sie vorhin? Eine sehr reale Vermutung? Ich habe eine sehr reale Vermutung.«
Mary-Ann kam zurück und gab mir die Abendausgabe der »The News« vom vorigen Wochenende. Ich blätterte den Inseratenteil durch und entdeckte folgende Anzeige: Kunsthändler in Montevideo hat größeren Posten Kopien nach alten Meisterbildern abzugeben. Hauptsächlich Männerporträts.
Und dann stand da wieder die übliche Chiffrenummer. Irgend etwas hielt mich davon ab, auch das letzte noch preiszugeben, was ich wußte. Womöglich hatte ich ohnedies schon zuviel verraten.
Ich faltete die Zeitung kopfschüttelnd zusammen.
»Nichts«, sagte ich. »Ich kann auch nichts finden.«
Lennox hatte mich vermutlich keine Sekunde aus den Augen gelassen. Er sagte: »Haben Sie ein bestimmtes Inserat gesucht?«
»Ja«, nickte ich, »Bill machte mir gegenüber eine Andeutung. Er erwähnte, glaube ich, einen Golfklub, dessen Mitglieder was mit Rauschgift zu tun haben sollten. Ihre Klubveranstaltungen werden durch Inserate bekanntgegeben.«
Der Colonel zog die Augenbrauen zusammen.
»Rauschgift? Hm. Das wäre wenigstens ein kleiner Fingerzeig. Was haben Sie nun vor?«
»Ich werde mich-«, ich wollte sagen, ich werde mich etwas näher mit dem toten Benjamin Rogers befassen, aber dann hielt ich es für besser, noch nicht alles auszupacken.
»Ich werde mich — ich weiß nicht recht, was ich tun soll, Colonel. Wozu würden Sie mir raten? Haben Sie schon mit der Polizei gesprochen?«
Er warf seiner Tochter einen raschen Blick zu und sagte:
»Vorerst nichts zu machen. War alles einwandfrei, keinerlei Hinweise auf einen gewaltsamen Tod. Natürlich kenne ich da ein paar Leute recht gut, aber bisher hab’ ich nichts unternommen. Dazu müßte man schon handfestere Argumente haben. Aber wenn Sie mich fragen, Mr. Warner: an Ihrer Stelle würde ich den Hebel einmal bei diesem ermordeten Detektiv ansetzen. Wenn es sich herausstellte, daß er mit Bill etwas zu tun hatte, dann könnte man der Polizei immerhin etwas Konkretes anbieten.«
»Würden Sie es dann tun?«
»Natürlich«, sagte er.
»Gut«, sagte ich aufstehend, »das werde ich tun. Und sobald ich etwas in Erfahrung gebracht habe, lasse ich es Sie wissen.«
Ich verabschiedete mich von ihm, und es schien ganz selbstverständlich, daß mich Mary-Ann durch den Garten begleitete. Als man uns vom Hause aus nicht mehr sehen konnte, blieb ich stehen.
»Warum haben Sie ausgerechnet mich angerufen?«
»Bill hing sehr an Ihnen. Er sagte, Sie seien sein bester Freund.«
»Ah — genau das wollte ich hören. Und wann haben Sie ihn kennengelernt?«
»Vor vier Monaten.«
»Welchen Grund hatte Bill, Ihnen seinen besten Freund niemals vorzustellen?«
Sie senkte den Blick, und ein feines Rot überzog ihr Gesicht.
»Er sagte Ihnen«, fuhr ich fort, »ich sei ein Weiberheld, ein Schürzenjäger, und ich sei kein Umgang für ein anständiges Mädchen, stimmt’s?«
Das Rot in ihrem Gesicht wurde dunkler.
»So...«, sagte sie zögernd. »So hat er’s nicht ausgedrückt.«
»Aber so hat er’s gemeint«, sagte ich lächelnd. »Er war mal in ein Mädchen verliebt — das ist aber schon sehr, sehr lange her — , und dieses Mädchen war nicht gerade das, was ich mir unter einer Freundin für ihn vorstellte. Ich hab’ ihm gezeigt, daß ich recht hatte — das ist alles.«
Sie hob ihre Augenlider mit den schönen, langen Wimpern und schaute mich ein wenig von unten her an, aber nur mit einem raschen, schüchternen Blick. Mir schien, als zucke sogar ein ganz winziges
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