Auch Engel Moegens Heiss
hatte sogar, wenn Jack sich nicht ganz täuschte, an jenem ersten Abend mit Daisy getanzt. In Jacks Kopf begannen alle Alarmsirenen zu schrillen.
»Ist Mr. Lawrence da?«
»Verzeihung, aber der hat gerade zu tun«, erwiderte der Verkäufer aalglatt. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
»Nein.« Jack zückte seinen Dienstausweis und klappte ihn auf. »Mr. Lawrence. Sofort. Und Sie brauche ich ebenfalls.«
Der Verkäufer nahm den Dienstausweis in die Hand, studierte ihn ausgiebig und reichte ihn anschließend zurück. »Polizeichef der Gemeindepolizei Hillsboro«, zitierte er sarkastisch. »Beeindruckend.«
»Nicht so beeindruckend wie ein gebrochener Arm, aber Scheiß drauf, ich probier’s mit allen Mitteln.«
Ein widerwilliges Lächeln spielte um die Mundwinkel des Verkäufers. »So ein harter Bursche.« Er ließ seine Muskeln kaum wahrnehmbar spielen, doch Jacks scharfem Blick entging die kaum merkbare Veränderung in seiner Haltung nicht.
»Ein Verkäufer, wer’s glaubt«, meinte er halblaut. »Ich bin wegen Daisy Minor hier.«
Die Miene seines Gegenübers wechselte erneut, diesmal zu einer Art trauriger Resignation. Der Verkäufer seufzte und sagte: »Ach Scheiße. Todd ist in seinem Büro.«
Todd schaute auf, als Jack und der Verkäufer in das kleine Kabuff traten. Seine Brauen hoben sich, sobald er Jack wieder erkannte, und er warf seinem Kollegen schnell einen fragenden
Blick zu, ehe er sich in das Abziehbild eines zuvorkommenden Antiquitätenhändlers verwandelte, aufstand und Jack die Hand hinstreckte. »Chief Russo, wenn ich mich nicht irre? Die Kappe hat mich ein bisschen irritiert.« Er fixierte neugierig die grüne Kappe mit dem gelben »John-Deere«-Logo. »Wirklich ausgesprochen … verwegen.«
Jack schüttelte die Hand und erwiderte freundlich: »Wirklich ausgesprochen dämlich. Warum setzen wir uns nicht einfach hin, und Sie und Ihr Karateverkäufer erklären mir, weshalb ich vollkommen falsch liege mit meinem Eindruck, dass Sie Daisy in bestimmte ausgesuchte Clubs und Bars schicken, und dass Ihr Bruce Lee hier sie gar nicht beschattet, um - was eigentlich? Sie bei irgendwelchen Verbrechen zu ertappen? Wohl kaum.«
»Howard«, korrigierte der Verkäufer grinsend. »Nicht Bruce.«
Todd stemmte die Fingerspitzen gegeneinander, tippte sich damit an die Lippen und sah Jack nachdenklich an. »Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden.«
»Na schön.« Jack hatte keine Zeit für diesen Bockmist. »Dann reden wir mal darüber, was für einen Grund ein heterosexueller Mann haben könnte, allen weiszumachen, dass er schwul ist, und was wohl passieren würde, wenn ich ihn auffliegen ließe.«
Todd lachte hell auf. »Das ist jetzt aber weit hergeholt, Chief.«
»Wirklich? Also, als ich hergezogen bin, bin ich ziemlich viel rumgefahren, um die Straßen und die Gegend kennen zu lernen, und ich bin an eine Menge Orte gekommen, an denen man den Polizeichef von Hillsboro nicht erwarten würde. Nebenbei habe ich mir die Einwohner von Hillsboro angesehen und mich überall erkundigt, wer wer ist und wer wie aussieht, weshalb ich Sie genau erkannt habe.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich will darauf hinaus, dass jemand, der als Schwuler durchgehen will, nicht gleichzeitig mit einer Frau in ein Motelzimmer gehen sollte und dass er vor allem nicht versuchen sollte, ihr die Mandeln aus dem Hals zu lutschen, während er noch damit beschäftigt ist, den Schlüssel ins Loch zu schieben. Das passt nämlich gar nicht zum Image. Soll ich sie beschreiben?«
»Ja«, bat Howard fasziniert.
»Nun gut«, meinte Todd mit teilnahmsloser Miene. »Sie kommen wahrhaftig an die abgelegensten Orte, Chief.«
»Nicht wahr?« Jack lächelte nicht. »Also kommen wir zurück auf meine ursprüngliche Frage: Was zum Teufel machen Sie mit Daisy?«
»Ich kann Ihnen sagen, was ich mache«, mischte sich Howard ein. »Ich passe auf, dass ihr nichts passiert. In den Clubs kann es für eine Frau ganz schön unangenehm werden.«
»Warum schicken Sie beide sie dann überhaupt hin? Das ist, als würde man ein Kätzchen ins Bärengehege setzen.«
»Sie tun ja so, als wäre sie vollkommen hilflos. Daisy ist eine intelligente, aufmerksame junge Frau, die gerne tanzen geht und Männer kennen lernt.«
»So wie es zurzeit in den Bars zugeht, werden dort selbst intelligente, aufmerksame Frauen vergewaltigt, vielleicht nur von einem Mann, vielleicht auch von allen seinen Kumpels - und selbst dann können sie sich glücklich
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