Auch Santiago hatte einen Hund
Entscheidung geworden, gefördert durch Gespräche mit Hundebesitzern und die Lektüre etlicher Hundebücher. In einem davon stieß ich auf eine mir bis dahin vollkommen unbekannte Rasse, den karelischen Bärenhund. Auf Anhieb war ich begeistert vom Aussehen und von den Charaktereigenschaften dieser nordischen Hunde, und obwohl ich keine Ahnung hatte, wo sie zu bekommen wären, und die konkrete Entscheidung noch gar nicht gefallen war - irgendwie setzte sich etwas in mir fest, das über reines Registrieren hinausging. Und heute ist es so weit, ich kann meinen acht Wochen alten Ajiz bei der Züchterin in einem Dorf bei Innsbruck abholen! Vor etwa zwei Monaten war ich auf eine kleine Anzeige gestoßen, die mich sofort elektrisierte. Seit letztem Herbst hatte ich hin und wieder die Tierannoncen durchgelesen, es wurden aber immer nur Samojeden oder Huskys angeboten, die mich nicht interessierten. „Karelische Bärenhunde-Welpen zu verkaufen. Rarität!“ Ich schnitt die Annonce aus, steckte sie in meine Brieftasche, raffte mich aber erst zwei Wochen später zu einem Anruf bei der Züchterin auf, denn immer noch zögerte ich, überlegte hin und her, hatte den entscheidenden Schritt noch nicht getan.
Der Besuch bei ihr verlief sehr angenehm, bei Kaffee und Kuchen tasteten wir uns gegenseitig vorsichtig ab und ich bemerkte zufrieden, dass sie eigentlich überprüfte, ob ich wohl willens und in der Lage wäre, einem ihrer Hunde auch ein hundewürdiges Leben zu bieten. Sie liebte ihre Hunde sehr und ich glaubte ihr, als sie sagte, es ginge ihr in erster Linie um deren Wohlergehen und nicht so sehr ums Geschäft. Ihre beiden Hunde, Vater und Großmutter von Ajiz, waren wohlerzogen, freundlich, aber nicht aufdringlich, temperamentvoll - und wunderschön! Ajiz selbst bekam ich nicht zu Gesicht, er war noch bei seiner Mutter und seinen Geschwistern in Brünn, wo er auf die Welt gekommen war und wo er die ersten acht Wochen seines Lebens verbringen würde. Nach zwei Stunden angenehmen und angeregten Gesprächs schien ich die Züchterin, Frau Markl, von der Ernsthaftigkeit meiner Absichten überzeugt zu haben; und mir war klar, dass, sollte ich jemals Hundebesitzer sein, ich der eines karelischen Bärenhundes sein würde. Ja, wenn jemals...
Denn den Rubikon hatte ich noch nicht überschritten, es galt immer noch, eine Frage zu beantworten: Bin ich bereit dazu? Beim Abschied von Frau Markl versprach ich, mich zu melden, sobald ich mich definitiv entschieden hätte. Geschlagene drei Wochen wälzte ich Frage um Frage in meinem Kopf: „Bin ich bereit, meinen Lebensstil und Lebensrhythmus den Bedürfnissen eines Hundes anzupassen, und das nicht nur, bis er stubenrein ist, sondern weit darüber hinaus, eigentlich bis zu seinem Tod?“ - „Habe ich die Disziplin, jeden Tag mit ihm (es sollte ein Rüde sein, das war wenigstens klar) zu gehen, bei jedem Wetter?“ - „Er wird am Anfang viel zerbeißen, Sachen kaputtmachen, später dann abhauen, raufen und sonst noch jede Menge Blödsinn anstellen. Habe ich für all das die notwendige Geduld und Nachsicht?“ - „Was mache ich, wenn ich einmal verreisen muss und ihn wirklich nicht mitnehmen kann?“ - „Kann ich eine solche Beziehung als bislang allein lebender Mensch überhaupt bewältigen?“
Weitere Gespräche mit Hundebesitzern, Freunden und Bekannten folgten. Nachdem mir von der einen Seite versichert worden war, dass auch Singles gute Hundebesitzer sein können, weil Hunde sehr anpassungsfähig sind, und die anderen mir verbindlich versprochen hatten, meinen Hund bei Bedarf in Pflege zu nehmen, überschritt ich endlich den Rubikon und griff klopfenden Herzens zum Telefon, um Frau Markl meine Entscheidung mitzuteilen. „Es wurde langsam Zeit“, sagte sie, denn von den sechs Welpen des Wurfes - mittlerweile sechs Wochen alt -seien vier schon fix vergeben. Sie würde demnächst nach Brünn fahren und könne bei der Gelegenheit die beiden noch freien Welpen fotografieren. Anhand der Fotos solle ich mir dann einen aussuchen. (Heute noch behaupte ich, dass nicht ich Ajiz ausgesucht habe, sondern eine Art Vorsehung mir jenen Hund zudachte, mit dem ich vierzehn wunderbare Jahre meines Lebens verbringen dürfen sollte.) Nach ihrer Rückkehr aus Brünn bezeichnete mich Frau Markl als einen Glückspilz sondergleichen, denn es hatte sich Folgendes zugetragen: Zur gleichen Zeit wie sie besuchte auch jenes Ehepaar aus Deutschland den Züchter in Brünn, das sich als Erstes für einen
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