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Auch Santiago hatte einen Hund

Auch Santiago hatte einen Hund

Titel: Auch Santiago hatte einen Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Lindenthal
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einmal Pause machen. Auf einer Parkbank im Schatten sitzend zische ich wie ein gelernter Clochard (in dem Moment ist mir ziemlich egal, für wen mich die vorübergehenden Spaziergänger halten!) das kühle Bier durch meine Kehle; ich habe es vorausschauend im kleinen Geschäft am Straßenbahnterminal gekauft. Herrlich! Am Campingplatz bekomme ich meinen Stellplatz zugeteilt, der auf drei Seiten von einer drei Meter hohen Hecke umgeben ist, wahrscheinlich als Schutz vor neugierigen Blicken; Begegnungen definitiv ausgeschlossen, my home is my castle.
    Mit Sicherheit bin ich der Einzige, der zu Fuß hergekommen ist; rund um meinen Platz bemerke ich nur Familien, die mit Wohnwagen oder Campingbus unterwegs und offensichtlich an Begegnungen ohnehin nicht interessiert sind. Zum ersten Mal verspüre ich so etwas wie Heimweh, denke viel ans Ankommen bei Manu (Emmanuel) und seiner Frau Finou (Françoise) im Süden, denke ans Ziel, die schönen, faulen Tage nachher, wieder zurück in AURAY.
    Den heutigen Tag widme ich meinen Geschwistern - mögen wir eine zusammenhaltende und konfliktfähige Familie bleiben!
     
    „Flucht“ über die Grenze
     
    Noch lange sollte es mit seinen „Fluchten“ nicht zu Ende sein. Im September 1990, Ajiz war sechs Monate alt, beschloss ich, mit ihm die erste Wanderung über mehrere Tage zu unternehmen. Ich konnte zwei Freunde, Mechtild und Thomas, dafür begeistern und so machten wir uns auf den Weg ins nördliche Mühlviertel; von dort wollten wir zu einer einwöchigen Tour auf dem europäischen Weitwanderweg - er führt von der Ostsee bis an die Adria -aufbrechen. Die Nacht im Hotel in Schwarzenberg, dem letzten Ort vor der bayrischen Grenze, verlief störungsfrei. Am nächsten Morgen ging es zu Fuß zum Dreisesselberg in Bayern, wo wir uns in den Weitwanderweg Nr. 6 einklinkten. Es war ein prachtvoller Herbsttag, vor uns erstreckten sich die dicht bewaldeten Höhenrücken des Böhmerwaldes, die Rucksäcke waren noch nicht zu schwer, eine herrliche, unbeschwerte Wanderwoche in netter Gesellschaft wartete auf uns. Die Stimmung konnte nicht besser sein. Ajiz, ohne Leine, tollte in Sichtweite vor uns, beschnupperte voller Neugier alles, was am Weg wuchs oder lag, freute sich wie ein junger Hund seines Lebens, und nichts, aber schon gar nichts schien unser Glück trüben zu können. Gegen Mittag kamen wir an einer Pferdekoppel vorbei, die von einem elektrischen Weidezaun umgeben war. Pferde, riesige, lebendige Wesen: Ajiz hatte so etwas noch nie gesehen. Nichts wie hin also! Flugs war er weg und unter dem Zaun durchgeschlüpft, um sich die neuen Wesen aus der Nähe anzusehen. Dabei streifte er mit seinem Rücken am elektrisch geladenen Band, bekam wie aus heiterem Himmel einen gewaltigen Schlag, jaulte auf - und suchte voller Panik das Weite. Es musste ein furchtbarer Schock für ihn gewesen sein, so plötzlich diesen heftigen Schmerz zu verspüren, ohne die geringste Ahnung zu haben, warum und vor allem wo dieser herkam. Thomas reagierte sehr schnell (ich selbst war mit meinem Bandscheibenvorfall gar nicht in der Lage dazu), warf seinen Rucksack ab und rannte Ajiz hinterher. Aber auch er musste sehr bald zur Kenntnis nehmen, dass ein verängstigtes Tier auf der Flucht uneinholbar ist, und kam unverrichteter Dinge zurück.
    Im Bruchteil einer Sekunde war aus dem Traum ein Albtraum geworden! Sofort war uns klar, dass damit unsere Wanderung zu Ende war - zumindest für heute. Wir suchten die ganze Gegend ab, fragten alle, denen wir begegneten, nach einem schwarz-weißen Hund; aber keiner hatte ihn gesehen, er schien wieder einmal wie vom Erdboden verschluckt. Er war zwar nicht verletzt, jedoch sicher zu Tode erschrocken, und hatte sich wahrscheinlich irgendwo im Wald verkrochen. Meine Hoffnung, er würde, wenn erst einmal Angst und Panik abgeklungen wären, von allein zu mir zurückkehren, erfüllte sich nicht. Wir suchten bis zum Einbruch der Dunkelheit, eine freundliche Dame chauffierte mich in ihrem Auto sogar in der weiteren Umgebung herum - ohne Ergebnis.
    In der Nähe fanden wir eine Pension, in der wir übernachten konnten, denn auf alle Fälle wollten wir noch bis zum nächsten Tag warten, ehe wir uns überlegten, wie es weitergehen solle; Abbruch der Wanderung, sich trennen, heimfahren oder dableiben, und wenn, wie lange? Von der Pension aus verständigte ich noch alle Tierheime in der Umgebung, ebenso die Gendarmerieposten und auch, ich wollte wirklich nichts unversucht lassen, das Hotel

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