Auch Santiago hatte einen Hund
Tisch seines Herrn am Leben erhalten und so gerettet haben. Jedoch der Pilgerapostel Jakobus mit Hund? Nie gehört. Dennoch, einiges lässt eine Verbindung zwischen Jakobus und einem Hund nicht nur plausibel, sondern den Ursprung der Jakobslegende in einem neuen, über die offizielle Version weit hinausreichenden Licht erscheinen.
Um zu erklären, warum Jakobus d. A. im Nordwesten Spaniens begraben liegt, obwohl er doch in Jerusalem enthauptet wurde, heißt es, dass er nach dem Kreuzestod Christi die römische Provinz Hispanien evangelisieren wollte. Da seine Mission jedoch nicht von Erfolg gekrönt gewesen sei, sei er einige Jahre später wieder nach Jerusalem zurückgekehrt, wo er im Jahr 44 als erster Apostelmärtyrer starb. Er sei deshalb in Spanien bestattet worden, weil er dort gewirkt habe. Sein Misserfolg als Missionar wird mit drei unterschiedlichen Versionen illustriert. Nach der ersten seien ihm trotz mehrjähriger Anstrengung nur neun zum christlichen Glauben Bekehrte gefolgt; eine zweite spricht gar von nur drei Getauften. Im einen wie im andern Fall also Anlass genug, Hispanien frustriert den Rücken zu kehren. Aber da gibt es noch jene dritte Version, die nicht nur die pessimistischste, sondern zugleich die interessanteste ist: Nur ein Hund sei ihm gefolgt! Eben dieser Hund wirft als Sternbild ein neues Licht auf die Jakobslegende und die Frage: Wie kommt der Hund zu Santiago bzw. wie kommt Santiago zum Hund?
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MONTAG, 21. JUNI
Gestern sind Elisabeth und Thierry nach PARIS zurückgefahren. Wir haben gemeinsam mit Freunden ein wunderschönes, bewegtes Wochenende verbracht - mit Badeausflug ans Meer, exquisitem Essen (der Nachbar Olivier ist Austernhändler und versorgt uns immer mit frischer, bester Ware) und einer gesungenen Messe im Benediktinerkloster SAINT-MICHEL in der Nähe von QUIBERON, für mich die spirituelle Einstimmung zur bevorstehenden Pilgerreise. Im jetzt so leeren Haus, das gestern noch von Leben erfüllt war, fühle ich mich doppelt alleine, bekomme einen Vorgeschmack auf die Einsamkeit, die mich ab morgen auf den großteils noch unerforschten und unbeschriebenen Jakobswegen bis nach SAINT-JEAN-PIED-DE-PORT erwartet. Falls ich dort ankomme. Denn ich habe mir vorgenommen, entweder 40 Tage (die berühmten 40 Tage in der Wüste!) oder bis zum Fuß der Pyrenäen zu gehen, eine Entfernung von etwa 1 200 Kilometern, durch ganz Frankreich! Müsste aber in 40 Tagen zu schaffen sein, vorausgesetzt, es kommt nichts Gröberes dazwischen.
Der Rucksack ist schnell gepackt - mittlerweile ist das Packen ja fast schon Routine -, halt schwerer als gewohnt. Einerseits fehlt mir Ajiz mit seinen Satteltaschen, in denen er doch seine drei bis dreieinhalb Kilo tragen konnte, andererseits kommen Gaskocher, Koch- und Essgeschirr sowie Biwakzelt (800 Gramm) dazu, da ich nicht mit dem in Spanien und auf den vier französischen Hauptwegen anzutreffenden dichten Netz von Pilgerherbergen und anderen Unterkünften rechnen kann. Auch in dieser Hinsicht steht mir also eine echte Pilgerreise bevor: Ein peregrinus ist ja jener, der sich freiwillig der Fremdheit aussetzt. An den 13 bis 14 Kilogramm schweren Rucksack werde ich mich hoffentlich nach ein paar Tagen gewöhnt haben; und wie es mir zum ersten Mal ohne meinen Kompagnon Ajiz auf einer Pilgerreise gehen wird, werde ich ab morgen wissen...
Hund und Weg
Das Fest des hl. Jakobus wird seit jeher am 25. Juli gefeiert, jenes des zweiten großen Wegheiligen des Christentums, des hl. Christophorus, am 24. Juli. Beide Tage fallen in eine Periode des Sommers, die im Deutschen Hundstage, im Französischen canicule genannt wird - hier wie dort ein Synonym für diese Zeit großer Hitze. Die Bezeichnung rührt daher, dass zwischen Ende Juli und Anfang August das Sternenbild des Hundes besonders deutlich am Nachthimmel zu erkennen ist. Wenn wir dieses Datum noch genauer betrachten, stoßen wir auf weitere bemerkenswerte Informationen: Am 25. Juli wurde in der Antike das Fest des ägyptischen Gottes Anubis gefeiert, der mit einem Hundskopf dargestellt wird! Der Kalender der koptischen Christen feiert am gleichen Tag einen hl. Merkurius. Die Vermutung liegt nahe, dass man mit diesem Fest die Reste eines heidnischen Kultes des Hermes Anubis christianisieren wollte. Und lässt ein hl. Merkurius nicht sofort an Merkur denken? Jenen römischen Merkur, der wie der griechische Hermes als Gott des Weges und Beschützer der Reisenden verehrt wurde? Auch für die
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