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Auch Santiago hatte einen Hund

Auch Santiago hatte einen Hund

Titel: Auch Santiago hatte einen Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Lindenthal
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aus dem Rucksack reiße. Ihn jedoch ohne Hilfe über mich und den Rucksack zu stülpen, ist eine komplizierte Angelegenheit, bei der Ruhe und Sorgfalt angebracht wären. Sonst kommen Kopf und Arme immer bei den falschen Löchern heraus oder verhängt sich der Umhang irgendwo zwischen Kopf und Rucksack. Und genauso kommt es. Als ich schließlich die schützende Hülle doch - fluchend und betend gleichzeitig - über mich und den Rucksack gezogen habe, bin nicht nur ich platschnass, sondern auch mein Buch. Fast alle Seiten kleben zusammen. Meine Stimmung schlägt von Pessimismus und Traurigkeit in Zorn um. Der Zorn tut mir gut, er verleiht mir Kraft, und nach dem Motto „Jetzt erst recht!“ stapfe ich entschlossen auf der kleinen, einsamen Straße weiter, die letzten noch trockenen Seiten des Buches unter dem Poncho mühsam vor dem orkanartigen Regen schützend.
    Als hätte der Himmel sich erschöpft, lassen Wind und Regen langsam nach, bis sie schließlich gänzlich aufhören und der Himmel aufklart - Gott sei Dank! Doch die Dunkelheit bricht herein und ich weiß immer noch nicht, wo ich heute übernachten soll. Im Vertrauen auf schönes Wetter habe ich heute früh bei der Abreise beschlossen, einfach ins Blaue hineinzugehen. Im Freien schlafen? Keine Chance, alles trieft vor Nässe und der Regen kann jederzeit wieder einsetzen. Mein kleines Biwakzelt (ohne Boden) irgendwo aufstellen? An einem geeigneten, schönen Platz, z. B. unter einem großen Baum, durchaus vorstellbar, aber so einer ist weit und breit nicht in Sicht. Die einzige in Frage kommende Stelle liegt in der Nähe einer Kläranlage! Übler Geruch würde mich also durch die Nacht begleiten und außerdem ist der Boden arg feucht. Privatzimmer oder Pfarrhaus? Nicht vorhanden, hier gibt es nur vereinzelte Gehöfte, dunkel, verschlossen und abweisend, auch Scheunen mit Heu oder Stroh sehe ich keine. Das nächste Dorf am Weg, das diesen Namen verdient, ist LANLEFF mit den Resten einer romanischen Rundkirche, dem „Tempel“. Bis dorthin schaffe ich es auf jeden Fall, auch bei Dunkelheit, dort werde ich wohl einen Schlafplatz finden.
    Ohne weiteren Regenguss, bei klarem Mondlicht, komme ich in LANLEFF an. Und der Platz, wo ich meine erste Nacht verbringen werde, passt ausgezeichnet: einerseits als Abschluss dieses absolut denkwürdigen Tages, andererseits zu meinem Status als einsamer Pilger. Es ist die in etwa kniehohe, breite Mauer eines der noch erhaltenen Rundbögen des „Tempels“, der von einem vom ersten Kreuzzug heil heimgekehrten bretonischen Ritter gestiftet worden sein soll - also einem „Vorgänger“ von mir. Die Mauer ist trocken, der Rundbogen schützt mich notdürftig, sollte es wieder zu regnen beginnen, und auch vor dem wieder aufgekommenen kalten Wind. Heißer Tee, Brot, Wurst und Käse sowie ein Becher Rotwein beleben meine Sinne, die Alumatte nimmt den Mauersteinen etwas von ihrer Härte, und der Schlafsack gibt mir so viel Wärme, dass ich am Ende dieses furchtbaren ersten Reisetages fast schon wieder mit meinem Schicksal versöhnt bin. Einige Blätter meines in Mitleidenschaft gezogenen Buches habe ich schon vorsichtig voneinander lösen können, vielleicht ist es doch noch zu retten. Mit diesem Wunsch und mit der aus meiner tiefsten Seele kommenden Bitte nach Sonne am nächsten Morgen schlafe ich schließlich ein.
     
    „ Und ich freue mich auf Ajiz
     
    Mit diesen Worten endet das Buch, in dem ich meine Pilgerreise nach Santiago beschreibe, die ich 1995 mit meinem treuen Gefährten Ajiz (sprich: Achiss), einem karelischen Bärenhund, unternahm 1 . Er war damals in den Pyrenäen schwer krank geworden, ich musste ihn zur Pflege zu meinen Freunden nach Montpellier zurückbringen und war von Logroño nach Santiago alleine weitergegangen: statt mit dem Freund mit der Sorge um ihn als Begleiter. Bei meiner Rückkehr war er zu meiner übergroßen Freude wieder gesund, und für weitere neun Jahre begleitete er mich auf vielen Tausenden Kilometern, vor allem auf den europäischen Pilgerwegen. Letztes Jahr, in der Karwoche 2004, war es so weit: Ich musste mich schweren Herzens endgültig von meinem verlässlichen Weggenossen verabschieden. Immerhin, er hatte es 14 Jahre mit mir ausgehalten...
    Ich weiß nicht, ob Nicht-Hundebesitzer es nachvollziehen können, aber monatelang verspürte ich echte und tiefe Trauer um Ajiz. So beschloss ich, diese im Rahmen einer 40-tägigen Pilgerreise, die vom Norden der Bretagne bis nach

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