Auch Santiago hatte einen Hund
ausschließlich auf Asphalt unterwegs. Dadurch ist zwar ein höheres Tempo möglich, die Fußsohlen leiden jedoch, was sich am Abend besonders durch schmerzhaftes Brennen bemerkbar macht. Nach einem
Monat täglichen Gehens halte ich das gut aus, auch meine Gelenke spielen anstandslos mit, aber es ist mir bewusst, dass mir ein „echter“ Weg lieber wäre. Von mir aus nicht so direkt wie eine Straße, also etwas länger. Das Gehen auf schönen Wegen durch schöne Landschaften ist zwar kein Selbstzweck - wie beim Wandern aber doch ein wesentliches Element beim Pilgern und auf alle Fälle wichtiger als das möglichst schnelle Vorwärtskommen, das ich unter „Flucht- und Jagdverhalten“ einordne.
Morgen, knapp vor SAINTE-FOY-LA-GRANDE im Tal der DORDOGNE, werde ich die Querung von der VIA TURONENSIS zur VIA LIMOVICENSIS (dem aus VßEZELAY im Burgund kommenden dritten der vier großen französischen Jakobswege) abgeschlossen haben und mich wieder auf markierten Pfaden (hoffentlich) bewegen. Mal sehen, wie es die französischen Jakobsgemeinschaften mit dem Asphalt halten.
Für heute ist einmal Schluss mit Gehen, ich muss noch einen geeigneten Schlafplatz finden. Im weiten Umkreis befindet sich keine nennenswerte menschliche Ansiedlung, wo ich um Quartier bitten könnte, doch der schöne, laue Sommerabend lädt ein zu einer Nacht im Freien. Weder Wolken noch andere Anzeichen weisen auf Regen hin, gut, ich lasse das Zelt im Rucksack. Richtigen Wald gibt es hier keinen, also auch keine der von mir so geliebten und verehrten großen Eichen, ich muss mit dem mickrigen Blätterdach einer jungen Akazie vorlieb nehmen. Wenn, dann ist es eh nur zum Schutz vor dem Morgentau.
Gut gelaufen heute, in jeder Hinsicht. Ich zehre wohl noch von der Herzlichkeit in ECHOURGNAC. Nur noch drei Tage bis LA RÉOLE...
Ajiz der Promi
Dass Ajiz mit seinem sanften und freundlichen Wesen die Herzen vieler Menschen eroberte, war mir hochwillkommen. Denn er brachte sie damit dazu, sich auf irgendeine Weise auch mir zu nähern. So habe ich Ajiz einige Freundschaften zu verdanken, die über seinen Tod hinaus bestehen und mein Leben bereichern.
Manchmal aber war ich - es mag kindisch, auf jeden Fall übertrieben erscheinen, was es wahrscheinlich auch ist - fast eifersüchtig auf ihn, zumindest neidisch. Mit Sicherheit, wenn es ums Essen ging (der Futterneid, eh klar). So wie damals, als wir auf unserer Pilgerreise nach Santiago in Südfrankreich von einem älteren Ehepaar besonders gastfreundlich aufgenommen und köstlich bewirtet wurden. Ich verspeiste mit den Gastgebern einen gratin dauphinois (gratinierter Kartoffelauflauf), dazu gab es Rotwein aus der Gegend, Salat, Käse und Obst. Mein Freund Ajiz hingegen, den die Gastgeberin sogleich lieb gewonnen hatte, brauchte aber natürlich etwas Gehaltvolleres, also Fleisch. So taute sie ein prächtiges, gar nicht kleines Putenschnitzel aus der Tiefkühltruhe auf und servierte es ihm mit einer schönen Portion Reis. Da war ich neidisch, das gebe ich gerne zu. Gleichzeitig vergönnte ich ihm dieses Festmahl von Herzen, er hatte es sich schließlich mehr als redlich verdient. Aber warum nicht auch ich?
Ein anderes Mal besuchte ich mit ihm die Eröffnung einer Ausstellung in der Halle der Innsbrucker Hauptpost. Ich begrüßte viele Bekannte und bahnte mir mit Ajiz im Schlepptau einen Weg durch die Menge, als sich vor mir eine ältere, mir gänzlich unbekannte Dame aufpflanzte und mich mit der Frage verblüffte: „Entschuldigen Sie, ist das der Ajiz?“ Durch meine Bücher über den Jakobsweg genieße ich offensichtlich einen bestimmten Bekanntheitsgrad in Innsbruck, auch meine rege Vortragstätigkeit zum Thema trägt sicher viel dazu bei, dass mich Leute kennen, die ich selber nie getroffen habe. Daran hatte ich mich schon gewöhnt und es war mir nicht unangenehm, zeigte es doch, dass meine Bücher gelesen wurden und, was ich zum Pilgern zu sagen hatte, auch gehört wurde. Aber dass mein Hund, den ich oft - und nicht nur im Scherz - als meinen Co-Autor und Co-Referenten bezeichnet hatte, von jemandem tatsächlich als eigenständige Persönlichkeit wahrgenommen wurde, überraschte und freute mich. Denn es bedeutete, dass meine Beziehung zu Ajiz als Freund und Partner auch für andere nachvollziehbar war.
Am deutlichsten war dies natürlich bei Kindern zu beobachten, da sie meistens zuerst Ajiz und erst dann, notgedrungenermaßen, auch mich registrierten. Bei Manuel, dem Sohn eines Freundes,
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