Auch Santiago hatte einen Hund
Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Doch keine Chance, ich muss sie als Geschenk im Rucksack verstauen.
Dies sind die schönen, wunderbaren und unvergesslichen Begegnungen am Camino, Ergebnisse des Zusammenspiels von Zufall (?) und Eigeninitiative. Wenn der GR nicht umgeleitet worden wäre, wenn ich nicht angeklopft und gefragt hätte, sondern einfach weitergegangen wäre... Ich seh das so, dass das Schicksal mir eine Chance gibt, ich aber selbst etwas daraus machen muss.
Der Weg führt durch die Weinfelder, mühsam stapfe ich durch den mit Wasser vollgesogenen, schweren Lehm, der bald wie eine Plateausohle an meinen Schuhen klebt. Die wieder kräftig scheinende Sonne bringt alles zum Dampfen, bald auch mich, doch nichts tut meiner guten Stimmung Abbruch. Ich habe die Sintflut überlebt!
Nach der Mittagsrast an einem der schönsten Plätze seit langem stoße ich auf die Markierung der VIA LIMOVICIENSIS, klinke mich damit wieder ein ins Jakobswegnetz. Vielleicht findet meine Einsamkeit bald ein Ende? Doch noch ist es nicht so weit. Es ist schwül und heiß, der Nachmittag zeigt sich von seiner gewohnten Seite - mühsam, nicht enden wollend und schweißtreibend. Gerade als ich, angeregt vom holprigen, unkrautüberwachsenen Pfad am Rand eines Weinfeldes, über den oft miserablen Zustand der Wege und die möglichen Folgen für Pilger „meditiere“, werden diese schmerzhafte Realität. Ich übersehe eine tiefe, hartgetrocknete Traktorrinne, stolpere und stürze, vom Gewicht des Rucksacks nach unten gedrückt, der Länge nach fast ungebremst auf den Boden. Ein heftiger Schmerz, der mich laut aufschreien lässt, schießt mir durch den rechten Unterschenkel und für einen Moment denke ich, das war’s. Das darf doch nicht wahr sein! Vormittags vier Stunden Sintflut, und jetzt das, eine halbe Stunde vor dem Ziel. Auf den
Stock gestützt erreiche ich humpelnd, mit zusammengebissenen Zähnen SAINTE-FOY und komme gerade noch kurz vor Büroschluss zum Tourismusbüro, wo ich mich nach einer Pilgerherberge erkundige. Da ich jetzt auf einem französischen Hauptjakobsweg bin, schließe ich nicht aus, dass es in größeren Orten Pilgerherbergen gibt. Und siehe da, oh Freude, auch SAINTE-FOY nimmt Pilger gastlich auf - und wie!
Das Bezirkskrankenhaus hat eine kleine Wohnung für Frères de Route (Landstreicher) und Pilger angemietet, ich muss mich nur beim Pförtner melden, welcher umgehend das Ehepaar verständigt, das die Herberge betreut. Die beiden pflegen einen eher geschäftsmäßigen Umgang mit mir - machen sie überhaupt einen Unterschied zwischen Pilger und Landstreicher, und wenn ja, welchen? -, aber das ist mir egal, denn die Herberge ist kolossal. Die Einrichtung ist zwar bescheiden, aber ich bekomme frische Bettwäsche, vor allem jedoch öffnet Madame die Speisekammer, die bis oben mit Lebensmitteln angefüllt ist -ich sehe sogar eine randvolle Tiefkühltruhe. Ich darf mich für Abendessen und Frühstück nach Herzenslust bedienen, eine frische Baguette hat sie mir auch mitgebracht.
Wieder bin ich fasziniert und voll Bewunderung für die uralte Tradition der Krankenhäuser im Süden Frankreichs, entsprechend ihrer ursprünglichen Bestimmung (hôpital kommt von Hospiz) heute noch Frères de Route und Pilger aufzunehmen und zu verpflegen. Beim Einträgen ins Gästebuch stoße ich zum ersten Mal auf Spuren von Jakobspilgern - einige Tage vor mir haben sich ebenfalls Pilger verewigt. Vielleicht hole ich sie noch ein?
Mit der Salbe und der Bandage von Schwester Franpoise in AMAILLOUX verarzte ich meinen Unterschenkel - eine Zerrung, mehr ist es anscheinend nicht - und nach einem opulenten Nachtmahl geht es mir schon viel besser. So gut, dass ich, zwar noch mit Schmerzen und humpelnd, sogar einen Stadtbummel wage. Für morgen bin ich jetzt um einiges optimistischer als knapp nach dem Unfall, als ich befürchtete, meine Pilgerreise wäre zu Ende.
Vor dem Schlafengehen rufe ich kurz meine Freunde in LA REOLE an, sie erwarten mich. Noch zwei Tage!
Yuma
Dadurch, dass ich Ajiz von Anfang an mit möglichst vielen Menschen und Tieren zusammengebracht hatte, war er äußerst friedlich und verträglich geworden und hatte viele Freunde, zwei- und vierbeinige. Sogar zwei Katzen waren dabei. Das mit der angeborenen Feindschaft ist ja eine Mär, Hund und Katz brauchen nur genügend Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen und die Körpersprache des anderen lesen zu lernen. Chia, ein Kater, ließ sich von Ajiz sogar die Ohren
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