Auch Santiago hatte einen Hund
brauche, um nicht aufzugeben. Aber das Ziel kann ich selber definieren.
Pilgern ist für mich in erster Linie eine Frage der inneren Einstellung und, das schon, der langsamen Fortbewegung, eben zu Fuß, und das für eine bestimmte Zeit. Ich wage zu behaupten, dass die berühmten letzten 100 Kilometer, für die man (übrigens nur Katholiken) in Santiago die offizielle Pilgerurkunde, die Compostela, ausgehändigt bekommt und die man in maximal fünf Tagen zurücklegt, viel zu kurz sind, um überhaupt in die Nähe einer geistigen und körperlichen Verfassung zu gelangen, die aus einem erst einen Pilger macht. Unter zwei bis drei Wochen geht das meiner Ansicht nach gar nicht. Und die habe ich schon lange. Und dass ich von LUXÉ bis ANGOULÊME mit dem Zug gefahren bin, ist mir auch vollkommen wurscht. Außerdem bin ich in vier Tagen in LA REOLE, halleluja!
Kurze Rast in Bonnes (nach Aubeterre)
Arca und Ingrid
Zu meinem 50. Geburtstag haben sich meine Freunde für mich etwas Besonderes einfallen lassen. Ein paar Wochen vorher hatte mich einer von ihnen, Thomas, gefragt, was ich mir wünschte, und da ich immer schon ungern auf solche Fragen antwortete, hatte ich ihm einen Wunsch genannt, von dem ich sicher war, dass er unerfüllbar sei. Ich wünschte mir nämlich ein Wundermittel gegen Thrombose und Asthma (da ich zu beidem neige), wissend, dass es dies nicht gibt, und hoffend, daraufhin mit solchen Fragen nicht mehr belästigt zu werden. Die Hoffnung erfüllte sich, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass meine Freunde nicht so leicht klein beigeben würden. Denn sie dachten gemeinsam intensiv nach und beglückten mich zum Geburtstag mit einem Gutschein für acht Sitzungen (eigentlich Liegungen) bei einer Physiotherapeutin, die sich auf Fußreflexzonenmassage spezialisiert hatte.
Da ich Ajiz - ja, auch diese Geschichte hat viel mit ihm zu tun - grundsätzlich nicht gerne im Auto ließ und ihn deshalb, wenn es nur irgend möglich war, zu meinen Verabredungen mitnahm, begleitete er mich auch zum ersten Termin bei der Therapeutin. Sie konnte mich ja auffordern, ihn im Auto zu lassen, wenn es ihr nicht recht war. Aber probieren kann man ja, oder? Sie hatte zwar ein nicht gerade störungsfreies Verhältnis zu Hunden, wie sie mir gestand - eine Mischung aus Angst und Respekt, sagte sie -, aber versuchen könnten wir es. Sie hatte Ajiz schon einmal bei einem meiner Vorträge über den Jakobsweg als äußerst ruhig, friedlich und sittsam erlebt und war deshalb bereit, es einmal mit der Anwesenheit von Ajiz im Behandlungsraum zu probieren. Er verhielt sich mustergültig - wie denn sonst? und so stellte sich die Frage bei den folgenden Terminen gar nicht mehr. Schließlich kam es, wie es im Zusammenhang mit Ajiz immer kam und deshalb auch bei Ingrid kommen musste. Sie verlor nicht nur ihre Angst vor ihm, sondern begann ihn zu mögen! Zu den letzten Terminen brachte sie ihm sogar eigens für ihn gekaufte Hundeleckerbissen mit. Auch wir beide freundeten uns miteinander an - so nach dem Motto: Die Freunde meines Hundes sind auch meine Freunde. Seitdem sie meinen Diavortrag über den Jakobsweg gesehen hatte, interessierte sie sich sehr für das Pilgern, und so fehlte es uns während der Liegungen, die ja doch jeweils fast eine Stunde dauerten, nicht an Gesprächsstoff. Das Geburtstagsgeschenk meiner Freunde hatte jedoch noch weitere Konsequenzen, die sich keiner der Beteiligten vorher hätte träumen lassen. Nein, wir haben nicht geheiratet. Obwohl Traudl, die Frau von Thomas, glücklich gewesen wäre, wenn ihr unschuldiges Geburtstagsgeschenk den eisernen (?) Junggesellen Peter endlich unter die Haube gebracht hätte. Es hat aber schon ein Leben verändert, freilich nicht meines -jedenfalls nicht wesentlich -, sondern das von Ingrid. Und, wie unschwer zu erraten, es war Ajiz, der ihr Leben verändert hat. Im Verlauf unserer Gespräche war in Ingrid die vage Idee, einmal selbst nach Santiago zu pilgern, zum festen Entschluss herangereift, den sie dann auch schnell und konsequent in die Tat umsetzte. Ihr Patenkind und Lieblingsneffe Jakob - nomen est omen -durfte sie begleiten, und er tat es gern. Zum gemeinsamen Abendessen vor der Abreise, wo ich ihnen noch letzte Tipps für ihre Pilgerreise mitgeben sollte, brachte der zehnjährige Jakob eine sorgfältig erarbeitete Liste von - guten! - Fragen mit, die ich ihm mit Vergnügen und erschöpfend beantwortete. In einem ersten Abschnitt gingen sie von
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