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Auch Santiago hatte einen Hund

Auch Santiago hatte einen Hund

Titel: Auch Santiago hatte einen Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Lindenthal
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kritischen und tiefen Gedanken über das Pilgern, seine Entwicklung zum modischen Trend und darüber, wie sich damit auch die Menschen verändert haben, die sich auf den Jakobsweg machen - für sie viele davon keine Pilger mehr.
    Ich bin müde, meine Füße tun weh (jaja, der Asphalt), aber ich fühle mich wohl. Ich bin zurück am Camino, mein Wiedereinstieg ist gelungen. Gut, dass ich mich zu dieser spätherbstlichen Pilgerreise aufgerafft habe! Danke, wem auch immer...
     
    Der letzte Winter
     
    Die Tatsache, dass ich von Beginn an so intensiv an Ajiz’ Leben teilgenommen hatte, indem ich ihn konsequent in mein Leben integrierte und praktisch überallhin mitnahm, ließ mich sein Altern besonders deutlich erleben. In den ersten Jahren, als er vom Hundebaby zum prächtigen Rüden heranwuchs, sah ich, wie die Grenzen der Welt, die er wahrnahm, in der er sich bewegte und die er als die seine betrachtete, mit zunehmendem Alter immer weiter nach außen verschoben wurden - mit manchen „Ausreißern“ darüber hinaus, aber das gehört wohl zu jedem Wachstumsprozess. Ab etwa seinem neunten Lebensjahr erlebte ich dann mit, wie der Kreis seines Lebens, nachdem er zwischen dem sechsten und achten Lebensjahr seine größte Ausdehnung erfahren hatte, wieder kleiner wurde. Zuerst kaum wahrnehmbar; doch in den letzten Jahren, und ganz besonders im letzten Winter, bemerkte ich, wie klein sein Radius schon geworden war, und zwar auch an mir selbst. Früher hatte er mich immer auf meinen Schitouren begleitet, später nicht mehr. Aber nicht, weil ich ohne ihn ging, sondern weil ich auch nicht mehr ging. Ähnlich war es mit dem Fahrrad-Fahren: Früher hatte ich meine Besorgungen in der Stadt per Fahrrad erledigt und er war mitgelaufen; dann, in einer Zwischenphase, als er nicht mehr mitlaufen konnte (oder wollte), gingen wir zu Fuß; und zum Schluss fuhr ich immer öfter mit dem Auto ins Zentrum, um mit ihm nur mehr kürzere Strecken zu gehen, oder ließ ihn überhaupt im Auto. Unsere täglichen Wanderungen wurden kürzer; zuletzt waren es nur mehr kürzere Spaziergänge in der näheren Umgebung des Hauses, und ich ging dazu über, nachher noch eine größere Runde allein zu drehen, damit ich auf meine Rechnung kam, während er im Haus oder im Auto auf mich wartete. In mehrstöckigen Gebäuden nahmen wir immer öfter den Lift, und wenn es keinen gab, trug ich ihn manchmal hinauf - ich sah das als Training und als Teilersatz für die immer selteneren langen Wanderungen. So wird es wohl auch mir ergehen, wenn ich alt werde (älter werde ich ja schon seit meiner Geburt). Zu meiner großen Überraschung und Erleichterung stellte ich fest, dass ich mich - nach Überwindung der Anpassungsschwierigkeiten in der Übergangsphase (Kap. 31) -eigentlich schnell und ohne Murren auf seinen immer reduzierteren Radius einstellte und diese Reduktion gar nicht als Verlust oder Einschränkung erfuhr, sondern einfach als neuen Abschnitt in unserer gemeinsamen Geschichte akzeptierte. Die Tourenski wurden durch Schneeschuhe ersetzt - eine Entscheidung, die ich bis heute nicht bereue: Das Stapfen durch den tief verschneiten Wald ist atemberaubend schön, umweltfreundlich und vollkommen ungefährlich, aber trotzdem gesund und konditionsfördernd. Vor allem konnte mir Ajiz in meinen tiefen und breiten Fußstapfen problemlos folgen. Diese Wanderungen zeigten, dass Lebens- und auch Beziehungsqualität auf keinen Fall nur mit einem bestimmten Lebensalter assoziiert werden dürfen. Sie verändern sich lediglich und es liegt an uns, sie zu entdecken und zur Entfaltung zu bringen.
    Mein Lieblingswintersport war schon seit meiner Kindheit das Rodeln. Und auch hier erfolgte eine Anpassung an Ajiz’ reduzierten Radius. Es begann damit, dass ich ihn nicht mehr die Rodel bergauf ziehen ließ, das Brustgeschirr (Kap. 13) wurde stillgelegt, und die Abfahrt erfolgte nicht mehr mit Vollgas und ohne Pause, Ajiz im Galopp hinterher. Ich fuhr jetzt zwar nach wie vor schnell ab (auf den Rausch der Geschwindigkeit wollte ich trotz allem nicht verzichten), wartete aber in regelmäßigen Abständen auf Ajiz, der irgendwann in gemächlichem Tempo herantrabte, nicht im Entferntesten beunruhigt ob meines Davonbrausens. In einer späteren Phase wurden die Rodelstrecken kürzer, dann ging Ajiz zwar bergauf aus eigener Kraft mit, durfte jedoch bei der Abfahrt bei mir auf der Rodel sitzen. Sehr zum Gaudium der anderen Rodler, die uns beim Anblick des Hundes, der voll Würde vor mir

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