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Auch Santiago hatte einen Hund

Auch Santiago hatte einen Hund

Titel: Auch Santiago hatte einen Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Lindenthal
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auf der Rodel saß und sich - offensichtlich voller Genuss - den Fahrtwind um die Ohren streichen ließ, entweder mit offenem Mund nachschauten oder laut rufend anfeuerten.
    Im letzten Winter konnte Ajiz nur mehr auf ganz kurzen Strecken mitgehen; ich musste den extrem reduzierten Radius für mich wie im Sommer kompensieren, indem ich also nach der kurzen Rodelfahrt mit Ajiz noch eine längere für mich allein an-hängte.
     
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    DONNERSTAG, 18. NOVEMBER
    HAGETMAU - ORTHEZ
     
    Ein kalter, grau verhangener Tag begrüßt mich, als ich nach dem Abschied von Pierrette und Marcel weiterziehe. Novemberwetter sollte einen im November nicht überraschen, tut es auch nicht. Wie gestern gehe ich großteils auf kleinen, asphaltierten Nebenstraßen, schweige, lasse Blicke und Gedanken schweifen, begegne keinem Menschen, habe die Welt für mich. Insgeheim hatte ich gehofft, wenigstens hier, am südlichen Ende der VÉZELAY-Route, auch um diese Jahreszeit Pilger zu treffen, aber Pierrette hat mir erzählt, dass ich seit Wochen der erste Pilger war, der bei ihr abgestiegen ist. Was bedeutet, dass keine Pilger nach HAGETMAU gekommen sind, da sie ja die einzige Übernachtungsmöglichkeit anbietet. Macht nichts, vom Sommer her bin ich das Alleinsein schon gewohnt - bonjour ma solitude! Aber was heißt da Einsamkeit? Am Vormittag stößt ein wunderschöner, junger Jagdhund zu mir und lässt sich um nichts in der Welt von mir zurückschicken. Gut, richtig ernsthaft versuche ich es nicht, zugegeben. Zu sehr genieße ich die Gesellschaft eines Hundes auf dem Pilgerweg, zu sehr vermisse ich immer noch Ajiz. Doch als er nach ein paar Kilometern immer noch keine Anstalten macht umzukehren, mache ich mir langsam Sorgen, ob wir nicht schon zu weit von seinem Zuhause entfernt sind. Wer weiß, woher und wie weit er schon gelaufen ist, bis er zu mir stieß. Natürlich, wenn er nur annähernd den Orientierungssinn von Ajiz hat, muss ich mir wirklich keine Gedanken machen. Vorsichtshalber frage ich aber den Briefträger, der gerade in seinem Auto vorbeikommt. Und er beruhigt mich sofort: Ja, Micheletto (der Name passt wunderbar zu meinem sympathischen Begleiter!) geht gerne mit Leuten mit, das ist sein Zeitvertreib. Ich brauche keine Angst zu haben, irgendwann kehrt er von selbst um. Von da an genieße ich unbeschwert meine Hundeeskorte; und tatsächlich, an einer bestimmten Stelle - wahrscheinlich sein gewohnter Umkehrpunkt- bleibt Micheletto stehen. Ich locke ihn, rufe ihn, keine Chance, keinen Millimeter geht er weiter, als wäre da eine unüberwindliche Barriere, die nur er sieht. Er schaut mich kurz an, als wolle er sich von mir verabschieden, dann läuft er zurück. Danke, Micheletto, für die Begleitung! (Ich glaube, ohne Hund halte ich es nicht lange aus.)
    In der kleinen Ortschaft SAULT-DE-NAVAILLES mündet meine kleine Nebenstraße in die N 933, die Grande Route d’Espagne. Es ist ein Uhr, Zeit zum Jausnen. An die Mauer der Pfarrkirche gelehnt, im Wind- und Blickschatten einer Hecke, sitze ich im Gras und lasse den nicht versiegenden Strom von Fernlastern an mir vorüberziehen. Welch rastlose und nimmersatte Menschheit! So müssen die Ureinwohner Nordamerikas die Trecks der weißen Siedler auf ihrem Weg in den Goldenen Westen beobachtet haben. (Ob sie wohl ahnten, was diese ihnen bringen würden?)
    Ich schätze die Außentemperatur auf etwa acht bis zehn Grad, nicht gerade ideal für eine Siesta, doch mit der Alumatte als Unterlage und dem Regenponcho sowie der Jacke zum Zudecken schaffe ich es tatsächlich, für 20 Minuten einzudösen. Mein Weg verlässt gleich nach der Ortschaft wieder die Nationale - Gott sei Dank, wenn ich mir vorstelle, ich inmitten dieser brüllenden, stinkenden Monster!
    Am Nachmittag wird es ein bisschen wärmer, ich komme sogar ins Schwitzen. Abgesehen von ca. einer Stunde auf einem wunderschönen Weg das Übliche: auf asphaltierten Nebenstraßen in dem Hügelland am Übergang von den Landes zu den Pyrenäen auf und ab, manchmal sogar recht steil. Am Spätnachmittag erreiche ich ORTHEZ, wieder bei Dunkelheit. Die malerische mittelalterliche Stadt entstand am Fuße der mächtigen Burg, von der aus die Herren von Sauveterre den strategisch wichtigen Übergang über den Gave de Pau, den Pau-Fluss, kontrollierten. Auf mich wartet im Tourismusbüro 2 eine wunderbare Überraschung: Seit kurzem gibt es in ORTHEZ eine Pilgerherberge, sie wird von der örtlichen Jakobsgemeinschaft betreut, deshalb ist sie auch

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