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Auch Santiago hatte einen Hund

Auch Santiago hatte einen Hund

Titel: Auch Santiago hatte einen Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Lindenthal
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lassen, die es erlaubte, ihn im Auto mitzunehmen und trotzdem die Strecke zur Gänze und möglichst zu Fuß zu erforschen. Der bretonische Jakobsweg führt ja bis Poitiers, wo er in die von Paris kommende Via Turonensis mündet. Ich wollte ihn nicht einfach in Nantes enden lassen, praktisch in der Luft hängend, ohne Einbindung in das Jakobswegnetz, nur weil Ajiz Arthrose hatte. Die flache Landschaft der Vendée und des Poitou, die gut erhaltenen alten, oft auch breiten Wege, mein Auto, mit dem ich viele dieser alten Wege noch befahren konnte, vor allem aber die Toleranz und Großzügigkeit der französischen Bauern, die mir dies gestatteten, ließen mich schließlich einen - im doppelten Sinne - gangbaren Weg finden. Ich befuhr die kleinen, schmalen, kaum befahrenen asphaltierten Sträßchen, zu denen sich die oft jahrhundertealten Wege in den letzten 50 Jahren entwickelt hatten, aber eben auch die Wirtschaftswege und die uralten, teilweise wunderschönen Wege, die unverändert, aber noch breit genug dafür waren, mit dem Auto. Auf den ausgezeichneten Karten (1:25.000), die ich mitführte, vermerkte ich die Distanzen und Orientierungspunkte für die spätere Wegbeschreibung, die Gehzeiten berechnete ich auf der Basis von viereinhalb Stundenkilometern. Dort, wo an ein Durchkommen mit dem Auto nicht zu denken war, ging ich die Strecke zu Fuß ab; Gepäck, Proviant und Ajiz blieben im Auto zurück, und ich achtete darauf, nie länger als zwei Stunden auszubleiben. Dies bedeutete, dass ich Strecken über fünf Kilometern von beiden Seiten her abging. Da ich ohne Gepäck flott ausschreiten konnte, schaffte ich mit dieser Methode immerhin doch Strecken von über zehn Kilometern. Längere Abschnitte, die nicht mit dem Auto erreichbar waren, gab es nicht. So blieben wir doch auch für dieses Mal ein Team, fast wie zu den Santiago-Zeiten anno 1995. Mein Auto wurde zum Camping-Wagen, mit Geschirr, Kocher, Schlafsack, Alumatte, und die Mittagspausen wurden zelebriert wie seit jeher. Vor allem bleiben mir die Nächte in Erinnerung, wo Nähe, Vertrauen und Freundschaft zwischen uns deutlich spürbar wurden. Zwei Plätze werde ich nie vergessen, beide unmittelbar am Jakobsweg, mit dem Auto erreichbar, aber dennoch abgelegen, wo wir unter freiem Himmel übernachteten: einmal unter den weit ausladenden Ästen eines Kastanienbaumes (eigentlich zweimal, denn auf dem Rückweg in die Bretagne übernachteten wir wieder dort); und ein anderes Mal (wiederum auf der Hin- und Rückfahrt) an der Kreuzung zweier uralter Wege unter einer Eiche - vollkommen unbehelligt von den Einheimischen, für die es selbstverständlich schien, dass jemand unter freiem Himmel kochte, aß und übernachtete. Im Licht der elektrischen Lampe (Strom über den Zigarettenanzünder) bereitete ich meine Pilgersuppe zu, hörte France Musiques (den Luxus hatte ich zu Fuß nicht!), und hatte, während wir beide aus unseren jeweiligen Schüsseln aßen, ein ganz starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit, der Geborgenheit und Zufriedenheit, so als wäre dieser kleine Lichtkegel neben dem Auto unser Zuhause. Zum Schlafen rollte sich Ajiz dann am Fußende meiner Matte zu einem kleinen Fellknäuel zusammen, ich rauchte noch meine Gute-Nacht-Zigarette, bewunderte die mit unzähligen Sternen bestickte Zimmerdecke, die sich über uns wölbte, und bald erfüllte unser beider Schnarchen die Stille der Nacht.
    Es war meine letzte große Reise mit Ajiz. Im Rückblick sehe ich sie als unsere Abschiedsreise und bin heilfroh, dass ich mich dazu durchgerungen habe, sie mit Ajiz zu unternehmen!
     

8. Kapitel
     

    Weitblick und Übersicht in den Pyrenäen
     
     

Kein Anfang ohne gutes Ende
     

36
    MITTWOCH, 17. NOVEMBER
    MONT-DE-MARSAN - HAGETMAU
     
    Tut mir leid, ich konnte nicht anders! MONT-DE-MARSAN, WO ich vor fast vier Monaten meine Pilgerreise beendet geglaubt hatte, war doch nicht der rechte Ausklang. Zum damaligen Zeitpunkt war ein Abbruch mehr als berechtigt, meine Motivation war nicht mehr stark genug, um weiter durch das sommerlich heiße Aquitanien gen Süden zu pilgern. Das Durchhalten bis MONT-DE-MARSAN war schon eine tolle Leistung, hatte mich aber zu viel Substanz gekostet.
    Seither habe ich genügend Zeit zum Erholen und auch zum Nachdenken gehabt. Mit dem Ergebnis, dass MONT-DE-MARSAN nicht der Abschluss einer solch großen und wichtigen Pilgerreise sein konnte, dass da noch etwas Wichtiges fehlte - dass das Ende würdevoller, feierlicher, nicht so sang- und

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