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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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kürzlich erst in eine neue Wohnung gezogen. Die Tür wurde von einem Butler geöffnet, der mich stets in den Salon führte, wo Mrs. Gundry für gewöhnlich entweder beim Tee mit irgendeiner eleganten Dame saß, umgeben von Satin und Seide in exquisitesten Farben und Qualitäten, oder vor einem neuen, unbezahlbaren Gemälde stand, das eine Kunstgalerie probeweise dort aufgehängt hatte. Ihr kürzlich verstorbener Mann hatte - so hörte ich - sein Geld mit sanitären Artikeln verdient, und Mrs. Gundry versuchte, das Beste aus den Jahren zu machen, die ihr noch bevorstanden, indem sie sich mit schönen Dingen umgab, die sie aus den Früchten dieser unschönen Artikel anschaffte. Manchmal durfte ich eine Miniatur bewundern, gelegentlich eine Lampe. Sie achtete darauf, daß ich nie ohne eine Tasse Tee und ein Petit Four - eine von ihrem verstorbenen Mann sehr geschätzte Delikatesse, wie sie mir versicherte - ihr Haus verließ.
    Da meine Besuche bei ihr so häufig waren, hielt ich es für höflicher, Mrs. Gundry eine Rechnung zu schicken, ehe sie zu einer beträchtlichen Summe anschwoll, was bei Arztrechnungen so leicht geschehen kann.
    Nachdem sie eine Woche lang die Rechnung nicht erwähnt hatte, brachte sie eines Vormittags, nach der Tasse Tee und während ich noch überlegte, ob es verfressen aussehe, wenn ich noch ein Petit-Four auf den Weg mitnehmen würde, die Sprache auf die Rechnung.
    »Ihre kleine Rechnung«, sagte sie und streichelte ein Samtkissen, »für meine kleinen Gebrechen... «
    »Ah, ja«, sagte ich, »es ist besser, wenn man nicht zu viel zusammenkommen läßt.«
    Sie beugte sich zu mir hinüber. »Es ist nicht eine Frage der Höhe«, sagte sie zutraulich, »leider muß ich Ihnen sagen, daß ich sie überhaupt nicht bezahlen kann.«
    Ich blickte auf die Bilder an den Wänden, die Elfenbeinschnitzereien, die Miniaturen, die Lampen, die Vorhänge, die Figurinen.
    »Ich sehe schon, Sie verstehen, in welchen Schwierigkeiten ich mich befinde«, sagte Mrs. Gundry. »Nehmen Sie doch noch ein Stück, Doktor - sie sind ja so klein.« Sie reichte mir die Kuchenplatte. »Aber Sie begreifen, was es kostet, heutzutage eine Wohnung wie diese einzurichten, nicht wahr?«
     

14
     
    Merkwürdigerweise wurden Sophie und ich ganz gute Freunde. Nach unseren ersten Zwei-Runden-Begegnungen, aus denen wir beide ungeschlagen hervorgingen, wurde eine Art Waffenstillstand geschlossen. Am Vormittag nach der Nacht, in der sie mich so forsch gezwungen hatte, ihre Nagelbettentzündung zu behandeln, fand ich sie im Erdgeschoß ihres Hauses wieder. Sie trug ein blauseidenes Hauskleid und ordnete die Blumen. Ihr Haar lag offen auf ihren Schultern, nicht hochgesteckt wie am Vortag, als wir unsere Wagenkarambolage gehabt hatten, und sie sah jünger, fröhlicher und weiblicher aus.
    »Wie geht’s dem Finger?« fragte ich sanft.
    Sie legte ihn auf den Rücken. »Ich glaube, er wird besser.«
    »Darf ich mal sehen?«
    »Lassen Sie uns Frieden schließen«, sagte sie.
    »Ja, also Frieden.«
    Sie benötigte nochmals eine Injektion. Ich holte meine Spritze heraus und gab sie ihr möglichst schmerzlos. Dann verband ich den Finger. Sie bereitete mir eine Tasse Kaffee. Wir saßen im Wintergarten, einem reizenden Platz, in dem sie auch Versuche im Malen, Nähen und Modellieren anstellte.
    »Gestern um die Zeit!« sagte sie.
    »Oh, bitte, sprechen wir nicht mehr davon.«
    »Ich war wie verrückt, der Finger tat mir außerdem furchtbar weh.«
    »Kein Wort mehr«, sagte ich und fühlte beim Atmen den teuflischen Schmerz in meinen Rippen und überlegte, ob ich mich doch röntgen lassen sollte.
    »Ich benehme mich manchmal wirklich schlecht. Aber daran ist Victor schuld, er macht mich oft ganz verrückt. Der Wagen, war sein Geburtstagsgeschenk für mich, wissen Sie. Und ich hatte mir doch so sehr einen Luchsmantel gewünscht.« Sie zündete sich eine Zigarette an. »Ich glaube, es war eine Art Freudsche Fehlleistung, den Hügel hinunterzurollen, meine ich, um den Wagen zu beschädigen.«
    »Hätten Sie ihn denn nicht um den Mantel bitten können?«
    Sie kniff die Augen zusammen und stieß den Zigarettenrauch aus.
    »Er hat einen gekauft. Der Kürschner hat es mir gesagt. Aber nicht für mich. Er hat irgendwo eine Freundin. Schon seit Jahren. Teils ist es wohl mein Fehler, ich bin nicht sehr gut im Bett. Nicht mit Victor jedenfalls. Er kann seine Eton-Manieren nicht ablegen, wissen Sie, und das genügt, um einem das Vergnügen daran zu nehmen.«

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