Auch unter Kuehen gibt es Zicken
Klappe auf. SiebenKoima trampeln heraus. Ihre Körper rund und voll, das Fell klatschnass geschwitzt und auf und auf voller Dünnschiss. Sie reißen die Köpfe und Schwänze in die Höhe und preschen die Gana-Leit hinauf. Eine Sekunde Pause gönnt sich der Bauer. Sagt: »I kimm nomoi, gell, und der Fahrer bringt aa a paar. Pfiadi derweil.« Ein Schwung hoch hinauf ins Führerhaus, der Motor läuft eh noch, und weg ist er.
Ich schau ihm nach. Bin nicht dazu gekommen, auch Pfiadi zu sagen.
»Des war der Grassberger«, sagt Hias. »Der bringt achtzehne.«
Der Monster-MB vom Grassberger taucht hinterm Fichtenholz ab wie Das Boot. Seine sieben fleischigen Jungrinder bleiben ganz oben am Waldrand stehen und brüllen wie die Löwen. Der flüssige Dreck tropft ihnen vom Körper, und unter ihrem massiven Fettgewebe zittern mindestens genauso massive Muskeln.
Herzlich willkommen.
Der Nächste ist der Fallerer Flori. Ein junger Bursch auf einem uralten rostroten Traktor. Keine Fensterscheiben drin. Hintendran ein Holzverschlag auf achtzigjährigen Gummireifen. Kein Dach. Das ist sein Viehanhänger. Zwei wuschlige gehörnte Köpfe schauen über die Wand. Euphorisiert wie zwei Teenager im Fünferlooping auf dem Oktoberfest.
Seinen breitkrempigen Filzhut trägt der Flori wie ein Cowboy. Sein türkisblaues Lächeln blitzt direkt zur Sonne und zurück, als er für sein Alter extrem langsam von seinem Traktor steigt. Er schaut sich um. Nickt, als er sieht, dass alles beim Alten ist. Seine Hände wischt er ausführlich an seiner Jeans ab, schiebt seinen Filzhut in den Nacken und sagt »Servus.«
»Hi. Ich bin die Karin.«
»Flori.«
»Freut mich.«
Darauf sagt er nichts.
»Kann ich dir was helfen?«
»Naa, naaa, des geht scho.«
Mit einer Seelenruhe löst er die Verschlusshaken seines Anhängers. Die Klappe neigt sich verschissen zum Boden. Flori sagt ganz tief in der Kehle: »Hoooya«, und schiebt sich an den Hinterteilen seiner zwei Schnuckis vorbei, löst ihre Halfterstricke, sagt zweimal »Hey!«, und ganz vorsichtig steigen die zwei heraus aus ihrem Cabrio. Ein nachlässiger Blick in die Runde, und dann tun sie, was gut und notwendig ist. Fressen.
»Magst du was trinken?«, frage ich ihn.
»Naa, drei hob i no. I kimm nomoi. Pfiadi dawei.«
Ruhig macht er seine Anhängerklappe zu, steigt in Zeitlupe auf seinen Fahrersitz aus Blech mit Kunstfell drauf und tuckert wieder heim.
Ich schau ihm nach. Seit ich auf der Alm bin, schau ich ständig jemandem nach. Ich bin nie die, die wegfährt oder irgendwo hingeht. Immer die, die bleibt. Und wartet, bis sie wiederkommen.
Aber keine Zeit zum Sinnieren. Ein Lkw prescht bis vor die Almhütte. Schlaglöcher sind ihm egal. Die Seitenwände biegt’s nach außen. Der Fahrer vom Grassberger. Ausgemergelt, zittrig von zu vielen Zigaretten, reißt er die Ladeklappe auf. Links bleibt sie hängen. Von drinnen schieben die Koima, die wollen raus! »Zefix, damische Viecher!!«, der Fahrer drischt seinen Stock gegen die Klappe, das ändert aber nichts. Also drischt er gegen den Verschlussriegel. Bis er nachgibt. WHAMM – die Rampe knallt auf den Boden. Zwölf Viecher springen aus dem Laderaum.
Eins purzelt seitlich runter. Bleibt mit dem Vorderbein irgendwo hängen, rappelt sich wieder hoch und hinkt davon.
Sie ist anders als die anderen. Kein Fleckvieh. Ihr Fell ist kastanienbraun mit einem weißen Streifen auf dem Rücken und einem weißen Bauch. Sie hat kurze schwarze Hörner, die zur Seite wegstehen. Wie ein kleiner Teufel. Sie ist ziemlich klein. Mager um die Rippen, und Hintern hat sie gar keinen. Dafür hat sie einen Hals und einen Brustkasten für zwei.
Sie schaut niemanden an. Keinen Menschen und kein Tier. Humpelt, bis sie einen Platz findet, an dem sie ihre Ruhe hat, und dort bleibt sie stehen.
»Die hat sich wehgetan.«
»Ach, des werd scho wieder«, hustet der Fahrer, schleudert mir eine Handvoll gelber Rinderanmeldezettel entgegen, schaut auf die Uhr, flucht und flüchtet vor der verlorenen Zeit in seinen Lastwagen. »Pfiad’ euch.«
»Jaaaaa, Servus nacha, Pfiadi.« Hias begutachtet die Tiere, ans Gatter gelehnt.
»Die hat sich wehgetan«, sage ich noch mal.
Ein schneller Blick und einmal den Bart glatt streichen. »Ja, jetz’ lass derweil guad sei. Do schau ma hernach.«
Also lass ich sie. Der Tag wird noch lang.
Bis der Fallerer Flori wiederkommt, war der Grassberger zweimal da. Und hat zwei Brotzeitteller, vier leichte Weißbier und einen Kaffee im Bauch.
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