Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
Vom Netzwerk:
sprinte. Springe über den Zaun und schwinge meinen Almstecken, dass die Koim alles stehen und liegen lässt und zurück zu ihrer Herde rennt. Durch das Drehkreuz neben dem Weiderost.
    Ich mach einfach einen Punkt hinter die Nummer 65774. Und merke mir ein weißes, wuschliges Gesicht dazu.
    Und dann geh ich, meinen Sturzpiloten in den Stall holen.
    Lebensüberdrüssig steht sie an der Ganat-Leit’ und glotzt einen verkohlten Baumstumpf an. Blitzschlag.
    »Du gehst jetzt mal in’ Stall«, sag ich zu ihr.
    Und tatsächlich, Schritt für Schritt, geht sie. Vor der Stalltür bleibt sie stehen. Da rein – nein. Kommt ja gar nicht infrage.
    »Doch«, sage ich und hole einen Eimer Zauberpulver.
    Aaah! Sie stiert auf den Eimer.
    »Komm halt rein.«
    Nein.
    Aber ihr Hals wird länger, je weiter weg der Eimer sich bewegt.
    »Kimm, feeein!«
    Sie macht einen Schritt. Gib her!
    »Da is fein, schau, daaaa is fein.« Ich fange automatisch an, in einen Singsang zu verfallen. »Muuuucki, kiiiimmm!«
    Und sie kommt. Tapp-tapp-ta-tapp, alle Hufe im Stall. Gib her!!
    »Jetz’ is fe-« Fein wollte ich sagen. Zack, rammt sie ihren Kopf in den Eimer. Gerade noch schaff ich’s, den Eimer mitsamt ihrem Kopf nah genug an den Barren zu bugsieren, sodass eine Kette um den Hals passt.
    Koim hängt.
    Puh.
    Sie macht keine Anstalten, sich loszureißen. Sie frisst. Und als sie fertig ist, glotzt sie mich an und macht » MMMMMH .«
    »Nein, mehr gibt’s nicht«, sage ich. »Ungesund.«
    » MMMMMMMH .«
    »Okay. Okay, einen noch.« Mein Herz quillt über mit einem Gefühl wie warme Sahne. »Aber wirklich bloß einen!« Ich schütt ihr den Eimer in den Barren, und dann geh ich. Später kommt der Tierarzt. » MMMMMH .«
    Nein, ich geh jetzt.
    Ich hör schon lustiges Stimmengewirr vom Weg drüben. Gäste. Ich muss noch duschen, denn in der verschissenen Latzhose kann ich niemandem ein Bier ausschenken.
    Also geh ich.
    » MMMMh .«
    »Pfiadi.«

Gäste
    Der erste Gast marschiert in die Hütte und bricht beim Anblick von Pilatus in lautes Entzücken aus: »Guck mal, Schatz, ein Steinbock!«
    »Momeent!«, säuselt die dazugehörige Sie draußen. Zieht sich grade um, vor dem Küchenfenster. Hias schüttelt den Kopf und sortiert weiter leere Limoflaschen in ein leeres Tragl.
    Der Gast nähert sich Pilatus. »Gibt’s hier Steinböcke?«
    »Des war mei Goaßbock«, sagt Hias und stemmt sich in die Höhe.
    »Ziegenbock«, übersetze ich für den Gast, denn ich sehe, es ist notwendig. Aber der Gast winkt ab. Er späht in die Stube. Als vermute er dort weitere Steinböcke. Seine Bestellung scheint er vergessen zu haben. »Gämsen ham Se aber einige hier, hä?«
    »Naa.« Hias stützt die Hände auf die Granitplatte und fixiert den Gast. »Ois lauter Goaßbeck.«
    Der Gast lässt sich nicht im Geringsten beeindrucken. »Guck, Schatz, hier, der Steinbock.«
    Ich fasse es nicht.
    Pilatus kichert in seinen Ziegenbart hinein, während Hias dem Gast »’n helles Bier« einschenkt.
    Der Gast trägt sein Bier, sein Brotzeitbrettl und einen leeren Milchbecher hinaus zu seiner Frau. Ich laufe neben ihm her zum Brunnen, schöpfe eine kleine Blechkanne voll Milch und schütt sie in den Becher. Die Frau strahlt mich an, unter ihren teuer geschminkten Wimpern und seufzt: »Ach, wie authentisch! Sind sie hier oben geboren?«
    Ich bleibe stehen. »Nein. Ich komm eigentlich aus ’m Flachland«, sage ich, überrascht.
    »Mmmmh«, die Frau nimmt einen tiefen Schluck. »Mmmmh, ist das köstlich«, haucht sie zwischen perlroten Lippen durch und erklärt ihrem Gatten, wie herrlich belebend natürliche Lebensmittel sind. Und zu mir sagt sie: »Wie mutig, sich so ein bodenständiges Leben zu bewahren. So verwurzelt!«
    Verwurzelt.
    Ich verschwinde schnell im Dämmerlicht der Hütte.
    Scheiß dir nix, grinst Pilatus. Aber was kann ein Goaßbock schon wissen über das Wort Authentizität.
    Draußen plärrt derweil der Gast zu den Leuten am Nebentisch: »Die ham’n Steinbock in’a Hütte hängen.«
    »Nee!«
    »Doch.«
    »Sind die nich’ geschützt?«
    »Kann ich nich’ sagen. Werd ich zu Hause mal recherchieren. Wird schon gewildert sein, hua, hua, hua!!«
    »Spinnt der?«, frage ich Hias.
    »Hmpf«, macht er.
    Ich blicke hilflos zu Pilatus auf.
    Und der grinst noch breiter: So san’s. Preißn.
    Hätte ich nur zwei Wochen in die Zukunft schauen können, an diesem Sonntag, hätte ich gewusst, wie schnell man einen Trennstrich zieht. Wie schnell man sagt: »Scheiß dir nix,

Weitere Kostenlose Bücher