Auch unter Kuehen gibt es Zicken
Thema: »Jaaaaaa, mit dera Quell’n a da Holzwies’n, wos machst’ na do ...«
»Wer’ i doch nomoi fassen miass’n.«
»Jaaa, des is scho guad, so a Wasser. Vielleicht is a Heilwasser.«
»Geh!«, peitscht der Aloinator über die Granitplattentheke wie ein Schuss aus einer Winchester. »Was’ no oiwei spinna mit eahna’n Heilwasser!«
Hias zuckt mit den Schultern. Er wohnt nicht weit von einer Heilquelle, erzählt er mir später. Die, die dorthin pilgern, fahren quasi vor seiner Haustür vorbei. Bei Vollmond ganze Scharen. Frauen meistens. Wird also schon was dran sein. Und heilen kann’s, das Wasser. Darmbeschwerden, Hautkrankheiten, Frauenleiden. Es ist gemessen worden. Quellen wie diese fließen am Frau’brunna in Tirol, in Altötting und in Lourdes.
Na ja, dem Aloinator wäre halt eine trockene Wiese lieber, dann hätte er jetzt sein Heu drin und seine Ruhe.
Ich stelle ihm sein Brotzeitbrettl hin. Ein riesiger Butterklecks ziert den Brotscheibenfächer um die extragroße Portion Speck. Und ein gekochtes Ei. Die Einheimischen kriegen Brotzeitbrettl mit Ei.
»Aber a Hiesige is ned, gell«, schnieft der Aloinator. Er meint mich.
»Naa«, sage ich. Leise.
»Hob i ma scho denkt.« Dann schiebt der Aloise einen Zwanziger über die Granitplatte und nimmt sein Brotzeitbrettl.
Hias schiebt den Zwanziger zurück. »Des waar ja no des Netter!«
Der Aloise schiebt ihn wieder herüber, und der Hias wieder hinüber.
Der Aloise spannt seine Halssehnen. »Jetz’ lass de zoin, Zefix.«
»Nix gibt’s, jetz’ nimmst dein Lapp’n und schleichst de!«
Ich befürchte eine Schlägerei.
Der Aloise allerdings grinst und schiebt seinen Zwanziger wieder ein. Mir nickt er flüchtig zu: »Pfiade, Oimarin.«
»Pfiade.«
Es ist nicht leicht, die Hiesigen zu verstehen.
Ich bin keine Hiesige. Ich gehör gerade gar nirgends hin. Bald bin ich 30, nicht schwanger, und ich fürchte, dass ich nicht weiß, wie lange ich noch einen Mann in meinem Leben habe. Oder ob überhaupt noch.
Die Alm macht eine Beziehung nicht einfacher. Alles verzehnfacht sich. Die Schwierigkeiten auch.
Gott sei Dank geht’s nach dem Aloise nahtlos weiter. Gäste ohne Ende. Einmal Buttermilch, zwei Kaffee, ein Nusskuchen, und »Was ham Se denn für Bier hier?«
Ich frage mich, wie lange eine normale Lendenwirbelsäule so einen Almjob überlebt. Hias ist heute schon ein paar Hundert Mal zu den Biertrageln hinabgetaucht. Und wenn der Tauchgang keine volle Flasche mehr zutage fördert, rennt er in den Keller, reißt drei (!) Kasten Gamsbräu an sich und rennt zurück. Zwei in der rechten Hand, einen in der linken. Die Flugphase zwischen den Laufschritten fällt dabei so gut wie aus, wie bei einem olympischen Marathongeher. Nur statt dem Trikot trägt Hias einen Fürtha.
Ich säble stundenlang Käsescheiben und Tomatenviertel, stochere mit dem Stemmeisen einen Krater in eine 10-Liter-Gastrodose Essiggurken, damit ich den Deckel aufkriege, weil der Dosenöffner nicht auffindbar ist, trenne die Schwarte vom Speck ab, richte das alles auf Brotzeitbrettl um Brotzeitbrettl um Brotzeitbrettl, ein jedes gekrönt mit einem Klumpen Almbutter. Feine, köstliche, einzigartig echte Almbutter.
Nicht von mir gebuttert. Aufgetaut, vom letzten Jahr noch. Und trotzdem immer noch goldgelb, zart, wie eine Blumenwiese duftend, ich möchte mich eincremen damit. Hat die Almuth gemacht. Meine Vorgängerin. Die Almuth war acht Sommer auf der Alm und kann jetzt nicht mehr, weil sie schwanger ist. Almuth kann alles. Melken, buttern, käsen,Marmelade einkochen und Schmalzgebäck backen seit dem Kindergarten.
Ich kenn sie nicht, aber ich sehe sie vor mir. Hellblond, maximal rotblond, sie trägt die Haare immer hochgesteckt, manchmal in einem traditionellen Schopf. Butterweiche Babyhaut, glatte, stets rasierte Beine und ein klares, aufgeschlossenes Wesen. Belastbar. Vertrauenswürdig. Eine Frau, die man mögen muss. Die perfekte Almerin. Was für ein Verlust für die Alm, fällt mir da ein.
Und was für eine Vorlage für mich – Almuths Almbutter.
Herzlichen Glückwunsch, kann ich da nur sagen.
Ich werde nervös.
Je später es wird, je mehr von dem riesigen Butterklotz ich auf die Brotzeitteller türme, und je weniger davon übrig bleibt, desto größer wird die Panik. Butter-Panik. Ich muss dem Hias mein Geständnis ablegen. Sonst ist das Erwachen böse, wenn sich rausstellt, dass auch das Buttern nicht mein großes Talent ist.
Ich warte auf den richtigen Moment.
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