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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
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mehr ausgerissen als abgemäht. Is ja voll stumpf. Kann ja gar nicht funktionieren. Gut, zuerst Klinge wetzen.
    Hey, Opa, wie war das gleich noch mal? Das hab ich doch mal gekonnt. Oder hast du mir das nur weisgemacht, dass ich’s kann? Wer hat die Wiese unterm Nussbaum gemäht?
    Das war doch ich. Oder?
    Mein Freund hätt’s mir nicht zugetraut, glaub ich, das Mähen mit der Sense. Ist das das Gleiche? Einander was zutrauen und Liebe? Keine Ahnung. Was weiß ich schon über L –
    Und zack, schneidet die stumpfe Klinge einen langen Riss in meinen Finger. Shit!
    Die kleinen Sünden bestraft der liebe Gott sofort, weil er’s sonst vergisst. Ich wickle ein Stück Isolierband um den Finger. So. Und jetzt mäh ich die Wiesn da.
    Rrrpffff. Macht die Sense. Rrrrpffff, Rrrrpfffffff. Liebe leben. Einfach gesagt. RRrrrpffff.
    Ah, lasst’s mich bloß in Ruhe mit der Liebe!
    Rrrrrpfffff. Rrrpff, Rrrpfff, Rrrpfff.
    Für Liebe hab ich kein Talent, da kann nix rauskommen.
    Rrpfff.
    Kann nur wehtun.
    Rpf.
    Ein Batzen Erde fliegt durch die Luft.
    Rrrpfff!!
    So.
    Gemäht.
    Ich kratze das Gras mit den Händen zusammen und stopfe es in den Schubkarren. Und dann schiebe ich die ganze Ladung zum Stall.
    »Mmmh.«
    Mein Stallgast glotzt mir entgegen.
    Ich stopfe das Gras in den Futterbarren vor ihr.
    So. Friss!
    »Mmmh«, sagt sie. Frisst sie nicht.
    Wie, frisst du nicht. Und Hunger? Was war mit Hunger haben?
    »Mmm.«
    Fünf Minuten setze ich mich neben sie. In zwei Metern Entfernung. Ich will ja nicht mit ihr reden, ich will, dass sie frisst. Ein Maulvoll nimmt sie. Und spuckt’s wieder aus.
    Noch zwei Minuten.
    Okay. Dann kipp ich das Gras auf den Mist. Aber noch einen Schubkarren voll mäh ich nicht. Dann gibt’s halt morgen wieder was. Ohne Löwenzahn.
    »Frisst’s as ned?«, fragt Hias hinter mir.
    Ich wirble herum und starre ihn an. Die Menschen, die ich so anschaue, drehen sich normalerweise weg. Das gibt mir ein Gefühl dafür, wie meine Augen dann sind. So ähnlich wie Feuerwerfer. Hias allerdings bleibt völlig unbeeindruckt. Er lässt sich von mir den Wetzstein geben und hebt die Sense auf, wo ich sie hingeschmissen habe. Mein Fleck gemähte Wiese sieht aus, als hätte ein Wildschwein darauf gewütet. Hias stellt die Sense umgedreht auf den Stiel, legt den Unterarm auf die Schneid wie um die Schulter eines guten Freundes und fängt an, die Klinge zu wetzen.
    Schz-schz-schz-schz—Sschschzzzz, Sschschzzzz.
    Schz-schz-schz-schz—Sschschzzzz, Sschschzzzz.
    Viermal kurz auf der Rückseite, zweimal lang auf der Innenseite.
    Die Augen hält er halb geschlossen dabei.
    Schz-schz-schz-schz—Sschschzzzz, Sschschzzzz.
    Bald blitzt ein goldener Strahl der Nachmittagssonne über die Schneid. Hias steckt den Wetzstein in seine ausgebeulte Hosentasche. Ich glaube, er könnte seine halbe Werkstatt in seinen Hosentaschen transportieren. Und dann lässt er die Schneid zum Boden hinuntersinken. Gemächlich balanciert er die hölzernen Griffe in seinen Händen. Langsam wiegt er die Sense in seiner Hand und lehnt seinen ganzen Körper nach rechts. Und sanft schaukelnd nach links. Zzzzzzzzzz. Macht die Klinge.
    Und ein Streifen Gras fällt um wie Millionen Dominosteine.
    Hmmmm, schwingt die Sense zurück nach rechts. Und Zzzzzzzzz.
    Hmmmmm, Zzzzzzzz.
    Hmmmmm, Zzzzzzzz.
    Hmmmmm, Zzzzzzzz.
    So geht das.
    Sauber und duftend liegt jedes Blatt, jeder Halm.
    Gemäht mit Hingabe. Nicht mit Wut.
    Er spießt das Gras mit einer Heugabel auf den Schubkarren. Ich schieb’s zum Stall. Und leg’s in den Futterbarren.
    » MMMMMHHH !«, sagt die kleine Madame. Und frisst wie ein Förderband.
    Ich setze mich wieder auf meinen Platz zwei Meter neben ihr auf den Rand des Futterbarrens. Etwas pocht hinter meiner Stirn. Worüber hab ich mich eigentlich aufgeregt? Über die Liebe?
    »Mampf, Grmps, Mampf-mampf-mampf-mampf.«
    Hias lehnt an der Stalltür und zwirbelt die Enden seines Schnurrbarts. »Mei Oma hot aa so oane g’habt. A Pinzgauer. De hot Nelly g’hoassn.«
    Flupp! Klappen die großen braunen Ohrtrichter nach vorne. Sie glotzt ihn an.
    »Nelly«, sage ich.
    »MMMh.«
    Sie bläst mich an. Und mein Herz pumpt wie ein Maikäfer, spreizt die staubigen Flügel und lupft seine acht Tonnen Bleigewicht in die Höhe, um ihr zuzufliegen.
    Nelly.
    »Mm.«
    »Hallo, Nelly.«
    In meinem Bauch, dort, wo das schwarze Loch ist, blitzt ein Lichtstrahl auf. Wie die Nachmittagssonne auf der Sensenklinge. Wwwzzzzz, macht’s, und der Lichtstrahl trifft etwas und

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