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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
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gar nicht draufbringe. Muss zweimal zum Misthaufen gehen. Hab dabei auch Zeit, Tränen von meinem Gesicht zu wischen. Wieder normal werden. Melkeimer mit heißem Wasser durchspülen und Milchkanne ins Millikammerl schleppen.
    Ich lupfe die volle Kanne auf meine Schulter. Alles ist gut, denke ich. Ich schwanke unter dem Gewicht, atme entschlossen in den Bauch, bis ich ruhig und kräftig dastehe, und dann schütte ich die Milch in die Zentrifuge. Die 20 Liter fassend Blechschüssel ist zu klein. Wow, Mädel. Und das war nur die Abend-Melkmahlzeit. Die von in der Früh schwappt längst in unzähligen Gästemägen. Vermischt mit Kaffee, Birnenschnaps und Zebrakuchen.
    Alles ist gut, denke ich, und hänge mich mit beiden Armen an die große Kurbel, um die schweren Schwungscheiben anzutreiben. Zaach geht das. Hab noch Puddingarme. Talarme. Aber das wird sich ändern, bestimmt ...
    Der Rahm rinnt dick und cremeweiß in seinen Plastikeimer. Die Magermilch schäumend und leuchtweiß in die große Kanne. Ich kann nicht anders, ich laufe im Stallgwand in die Hütte, hol die Tasse mit der Rose drauf aus dem Regal und mach sie halb voll Kaffee, ignoriere Hias’ verwirrten Blick, laufe wieder hinaus ins Millikammerl, und da trinke ich Milchschaumkaffee, direkt aus der Zentrifuge.
    Ja, genau. Genau so muss das sein. Dafür bin ich auf der Alm.
    Und, ja, für ein paar andere Dinge auch. Ich denk drüber nach, Dora.
    Der Rahmkübel ist voll. Ich pfloppe den Deckel drauf. Trage ihn in den Keller, zum Kühlen. Neben die anderen drei Kübel, die da schon stehen.
    Aus diesen Kübeln voller Rahm werde ich etwas machen müssen. Butter halt, irgendwie.
    Mehr weiß ich nicht, und das ist es, was ich dem Hias noch sagen muss. In einem geeigneten Moment.
    Der wäre dann jetzt, fürchte ich.

Butter und Blumenwiese
    Die Gäste sind weg, alle Gläser von draußen sind reingeräumt und die Brotzeitbrettl gespült. Alles ist ruhig. Nur die Alm-CD dudelt leise durch die Hütte.
    Hias hat aus dem Autoradio und den Boxen aus seinem havarierten Suzuki-Jeep eine Alm-Stereoanlage gebaut. Die läuft mit dem Strom aus einer Lastwagenbatterie.
    »Hias, so an Butter wie die Almuth – oiso, so an Butter kriag i ned hi, fürcht i.«
    Hias wischt mit großen Kreisbewegungen seine Granitplatte ab. W-schsch, w-schsch. Lappen auswaschen. Er schaut nicht auf, er antwortet nicht, er wischt. Aber gehört hat er mich. Denn sein Blick heftet sich an sein Schwammtuch, als könnte es, wenn es nur lang genug wischt, ein Wunder zum Vorschein bringen. Das Wunder eines sorglosen Sommers. Vergeblich, das Hoffen. Er wird im schlimmsten Fall sagen müssen, des kriang ma scho. Es wird ihm nichts anderes übrig bleiben. Fürchte ich. Ich möchte im Gulli verschwinden. Da stoppt seine Hand, am Ende eines großen Wischkreises. Seine Augen schielen nach links. »Jaaaaa, des kriiiiang ma scho.«
    Ich hab’s befürchtet.
    »Mmmmm«, macht es im Stall. »Mmmm MMM .«
    Mein Sturzpilot.
    Hoffentlich ist nichts passiert. Einer Koim können tausend Dinge passieren auf der Alm. Sie kann gestolpert sein, und kommt nicht mehr hoch mit dem verletzten Bein. Sie kann sich in der Kette verfangen haben und halb erwürgt unterm Barren hängen. Sie …
    » MMMMMH !«
    »I kimm glei wieder«, sage ich zum Hias und laufe rüber in den Stall.
    Sie steht da und glotzt mich an. Mein Herz rast noch einen Augenblick weiter, bis es kapiert, dass nichts passiert ist.
    »Was is’n?«
    » MM .«
    Hunger.
    Draußen unterm Vordach hängt die Sense.
    Ich angle weit über den Brennholzhaufen und eine alte Rolle Stacheldraht drüber, erwische den Griff und fädle die Sense aus dem Dachbalken raus. Ein Wetzstein steckt in einem Astloch neben dem Stallfenster. Perfekt.
    Als Kind, mit meinem Opa, hab ich solche Sachen gemacht. Vogelhäusl bauen. Gartenzaun streichen. Brennholz aufrichten, in Rundhaufen, die so hoch waren, dass wir fürs Dach eine Leiter gebraucht haben – und das lange Gras unterm Nussbaum mit der Sense mähen.
    Ich such mir ein Stück Wiese. Ein Stück mit viel Löwenzahn. Wunderschön. Wenn ich ein hungriges Koibal wär, ich würde genau hier fressen.
    Ich hole aus, nach rechts, und schwinge die Klinge. Nach links. Und in den Boden. Uups. Wenn das der Opa gesehen hätte. Wieder hole ich aus. Und mit Schwung nach links ... ssssummmmm. Dreivierteldrehung. Und kein Grashalm umgefallen. Gut. Dann noch mal: Ausholen nach rechts. Arme anspannen. Durchziehen nach links. Rrrpffff. Eine Handvoll Gras

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