Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
Vom Netzwerk:
sprengt es. Ein Granitblock zerbröselt. Irgendwann, wenn der Staub sich gelegt hat, wird da wieder eine Blumenwiese wachsen. Glücklich, denke ich, und die Nelly rülpst mir einen Hauch Löwenzahn ins Gesicht.
    »... do wer’ ma glei nomoi an Tierarzt o’ruafa wega’ dem Hax«, nuschelt Hias in seinen Bart hinein.
    Nelly reckt den Hals, so weit die Kette es erlaubt, zum Schubkarren und streckt die Zunge raus, einen halben Meter, wie ein Chamäleon. Sie erwischt einen Grashalm.
    » MMMMMMMHH !«
    Okay, okay. Ich packe das übrige Gras mit beiden Armen und schichte es sorgfältig in den Futterbarren. Aufgelockert. Ein paar Löwenzahnblätter gerade gezupft. Eine Blume noch, Paul Bocuse für Rinder. Und die Nelly rammt ihre Schnauze hinein, in den grünen Haufen, fasst ein Maulvoll und schleudert alles, was drum herum ist, mit einem Schwung hinter sich, hurra, holladrio.
    Nelly!
    Mampf. Sie schielt mich an. Spitzbübisch.
    Mampf-mampf-mampf. Ka-wuzzsch, fliegt die nächste Ladung.
    Hey!
    Ich sammle alles wieder auf, leg’s zurück in den Barren und sage: »Ich geh dann.«
    Mampf, Kawwuzzsch.
    Also noch mal einsammeln.
    »Pfiadi, Nelly.«
    »Mmmh ...«
    »Schön brav sein.«
    Pfiadi.
    Ich schleiche aus dem Stall.
    Mampf-mampf, höre ich. Und lächle selig. Leicht und leise bin ich.
    Mampf-mampf-mampf.
    Ka-wuzzzsch.

    Ein Lieferwagen fliegt um das Fichtenholz wie ein Geschoss. Der Tierarzt. Er nickt, anstatt Grüß Gott zu sagen, und setzt mit Riesenschritten in den Stall. Ein Griff an Nellys Bein. Gleichzeitig weicht er ihrem Schädel aus, der gezielt nach ihm boxt. Ein Blick auf die andern drei Beine. Ein Faustdruck gegen die Schulter.
    Angussverbände mit essigsaurer Tonerde wären das Beste, sagt er. Aber ... Sein Blick schweift resigniert zum Boden und bleibt am Stallbesen hängen, als wäre das ein weltweit einmaliges Orakel. Eins, das Antworten gibt auf Fragen, die er längst schon nicht mehr stellt.
    »Aber was?«, frage ich und mache mir Sorgen.
    Dass es den Aufwand nicht wert ist, denkt er. Rentiert sich nicht für so ein windschiefes Koibal. Er kann ihr auch einfach ein Schmerzmittel spritzen.
    Jetzt glotzen wir ihn beide an. Nelly und ich. Wie – rentiert sich nicht? Wie – einfach ein Schmerzmittel spritzen? Schmerzmittel heilen doch nichts.
    Nein, sagt er. Wenn’s wird, wird’s, und wenn nicht, mei. Immer noch spricht er zu meinem Besen.
    Ich stelle also den Besen woandershin und stemme die Hände in die Hüften wie die kleine Sophie. Und sage »Also: Wenn das Bein wieder heilt, mit Angussverbänden, dann mach ich Angussverbände.« Und Arnica-Globuli in D12 geb ich ihr, das macht man doch bei Verletzungen. Und den Wassereimer schieb ich ihr hin, wenn sie Durst hat, damit sie mit dem kaputten Hax nicht extra aufstehen muss zum Trinken. Aber das sag ich nicht, man muss es ja nicht übertreiben.
    Der Tierarzt kratzt sich am Hinterkopf. »Rhus Tox wäre besser als Arnica, für Sehnen gibt man Rhus Tox.« Sein Blick hängt jetzt, ohne Besen, hilflos einen Meter über dem Boden. Ein bisschen besorgt sieht er aus. Nicht um die Nelly, eher um mich, hab ich das Gefühl. Als hätte ich noch ein hartes Stück Erkenntnis vor mir. Denn er spricht von seiner Realität. Oft rentiert sich’s nicht. Oft ist’s praktischer, so einKoibal wegzutun, bevor man lange rumdoktert. Aber das ist ja nicht seine Sache. »Ja, dann, gut, dann lass ich dir die essigsaure Tonerde da, und dann schau ma«, sagt er.
    Ja, denke ich, schau ma.
    Der Tierarzt kramt in seiner Medikamenten-Alubox. Fördert eine Flasche zutage. Und ein Pulver, das ich mit Wasser anrühren soll. Am besten wär’s, wenn ich den Baatz komplett von oben bis unten an das Bein schmiere und dann mit Frischhaltefolie umwickle. »Schaust halt, wie du zurechtkommst.«
    »Danke«, sage ich noch schnell. Denn das war’s schon. Noch eine eilige Unterschrift auf das Formular, und weg ist er. Sein Auto sieht nur von außen aus wie ein Lieferwagen. In Wahrheit ist es eine Rallye-Maschine. Ich glaube, Männer wie er brauchen solche Autos. Männer wie er haben extrem wenig Zeit.
    Von der Stalltür aus schau ich ihm nach. Hoffentlich kommt ihm hinter dem Sonnbichl keiner entgegen. Aber das Rallye-Motorbrummen wird ganz normal leiser, ohne über Schotter scharrende Reifen und ohne den Knall zerberstenden Blechs.
    »So, Nelly«, sage ich. Sie glotzt mich an. Ich halte da ein paar Dinge in der Hand, die ihr suspekt sind. Eine Flasche mit stinkender Flüssigkeit drin, eine

Weitere Kostenlose Bücher