Auch unter Kuehen gibt es Zicken
raschelnde Tüte mit irgendeinem Pulver, eine verbeulte Emailschüssel und einen Eimer Wasser . Ich werde sie nass machen! Und knisterndes Zeug um sie wickeln! So war das nicht ausgemacht. So nicht!
Meint Nelly.
Ich meine, das macht ihr Bein wieder heil, also muss es sein, ob sie’s mag oder nicht.
Eine halbe Stunde später habe ich gewonnen. Schweißüberströmt, aber der Verband ist dran. Sieht aus wie ein Astronautenanzug.
»Brav«, sage ich. Und tätschle sie lobend hinterm Ohrlöffel.
Wwwuzzzsch!
»Na gut, du mich auch, dann geh ich. Bis morgen!«
Ich stampfe zur Stalltür. Mit all meinen Heilmitteln.
» MMM ...«
»Ja, hab’s auch nicht so gemeint. Pfiadi.«
»Mhmmmm ...«
Dunkel wird’s. Ein ewiger Sonntag. Müde Augenringe hat der Hias, als er in seinen Jeep steigt. »Des mit dem Buttern nehm ma morg’n durch«, seufzt er. Ich mach ihm das Gatter auf. Er hebt den Zeigefinger zum Gruß und gibt Gas. Fontänen sprühen über sein Dach, wenn er ungebremst durch die Pfützen schießt. Ich mach das Gatter wieder zu.
Das ist die leiseste Zeit auf der Alm. Wenn’s den ganzen Tag so laut und voll war, und dann, innerhalb einer Sekunde, ist niemand mehr da. Kein Geräusch mehr.
Erst nach ein paar Minuten kehren die Geräusche zurück. Andere. Ein Fuchs läuft vorbei, eine Eule schreit irgendwo in den schwarzen Fichten und der Wind tanzt ein paar nächtliche Figuren auf das Blechdach.
Ich bleib noch ein bisschen unter dem Rosenstock neben der Tür sitzen.
Bis der Mond hinter dem Gana-Stoa auftaucht und ich weiß, dass es allerhöchste Zeit ist, schlafen zu gehen, in meinem rosaroten Bett. Denn morgen in der Früh heißt’s Buttern.
Baatz
Haah! Butterstunde fällt aus. Das Stromaggregat hat den Geist aufgegeben. »Probierst’ as hoit dawei a so.«
Die Almuth hat in weiser Voraussicht ihren ahnungslosen Nachfolgerinnen einen Zettel hinterlassen. Den drückt mir der Hias in der Früh in die Hand:
Butter
Sauerrahm (8–12°C) im Butterfass rühren, bis sich feste Klumpen bilden. Buttermilch abfangen. Butter ausschlagen. Evtl. in Buttermodel formen.
Probier ich’s halt dawei. So schwer kann das nicht sein. Hias zwängt sich also in seinen alten Mechanikerkittel und verschwindet in den Untiefen des Dieselmotors.
Sauerrahm (8–12°C) im Butterfass rühren, bis sich feste Klumpen bilden.
Ausgangsmaterial ist also Sauerrahm. Der sollte in den Rahmkübeln entstanden sein, die ich seit Tagen in den Keller stelle.
Dem Rahm darf’s nicht zu warm sein, aber auch nicht zu kalt, sonst vermehren sich die guten Milchsäurebakterien nicht, und anstatt feinem Sauerrahm gibt’s gestockte Sahne. Baatz und grünliches Wasser.
Der Hias sagt, die Almuth hat den Rahm aus der Zentrifuge für einen Abend neben den Ofen gestellt und dann erst in den Keller. Da säuert er gut. Also mögen’s die guten Milchsäurebakterien warm, aber nicht zu lange …
Das allein ist schon eine Wissenschaft.
Ich hole also meinen Rahmkübelturm aus dem Keller. Nach der Geruchsprobe (Süß? Frisch? Sahnejoghurt?) sind noch vier Kübel übrig. Die anderen – Putenfutter.
Ich rede mir immer noch ein, Buttern kann nicht so schwer sein.
Sauerrahm im Butterfass rühren ...
Ich scheu mich auch nicht vor dem, was da steht. Aber vor dem, was da nicht steht. Almuth ist Hauswirschaftsmeisterin. Also Meisterin im Handwerksberuf Hauswirtschaft. Das heißt Winterschule, Berufspraxis, Meisterprüfung. Ich glaube, dass Almuth davon ausgeht, dass alle in dieser Liga denken. Hauswirtschaftstechnisch. Amateure, Kreisklasse, Dilettanten – existieren quasi nicht in Almuths Welt.
Ein Butterfass.
Das ist ein Holzfass. Es ist liegend auf einem arm dicken Eichenbrett neben der Zentrifuge montiert. Durch dieses Fass geht eine Kurbel, an der sich zwei Flügel drehen.
Angetrieben werden diese Flügel entweder über einen Elektromotor und einen Gummiriemen oder über eine Handkurbel.
Auf der Ganai haben wir dank Dieselaggregat die Elektromotor-Ausführung. Der ist auch auf das Eichenbrett geschraubt. Zentrifuge, Motor und Butterfass sehen aus wie eine vorindustrielle Werkbank. Das Millikammerl riecht nach Schmierfett und Eisenspänen.
Ich sehe schon unkontrolliert durcheinanderwirbelnde Kurbeln vor mir. Wild gewordenes Rattern. Maschinen außer Rand und Band. Und alles fliegt mir um die Ohren, mitsamt den Rahmkübeln. Aber bei der Almuth hat’s ja auch hervorragend funktioniert, wie man an ihren Butterkunstwerken sieht. Sie hat angeblich sogar
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