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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
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Verwandtschaft, dann heiratet man irgendwann nur noch für die anderen. Daran sind schon richtig gute Ehen gescheitert. Findet Charly.
    Wir sitzen auf der Terrasse und schauen übers Klarau-Tal raus und weit weit rüber zur Kampenwand. Der Himmel fängt an zu glühen. Bald sinkt die Sonne hinter die Aiplspitz.
    Wir essen die Almnuss’n auf. Alle. Ah! Zu Teigkugeln gewordene Augenblicke im Paradies. In die man reinbeißt und Musik hört. Reinbeißt und in einem Bad aus Zucker und Butterduft schwimmt. Und irgendwo im Himmel die Oma lachen hört. Ich mampfe. »Gitti – wow . «
    »Gell«, lacht sie. »Des Rezept hab i von der Franzi. Hängt im Schrank.«
    Ich schlucke den letzten Bissen und bin selig.
    »Ha! Jetz’ kocht’s Wasser!« Charly eilt in die Hütte.
    Gitti ergreift die Gelegenheit. Ruhig rührt sie in ihrer leeren Tasse. Und mit Bedacht fragt sie: »Was is’n dann eigentlich mit dei’m Freund wor’n?«
    »Nix«, sage ich.
    »Schad’«, sagt sie, nach einem kleinen leisen Augenblick.
    »Hm.«
    »Habt’s ned zampasst?«
    »Doch. Wie die Faust aufs Aug’.«
    »Ah, so guat glei.«
    Charly bringt den Kaffee. »Habt’s die Hoffnung scho aufg’eben?«, fragt er, während er die drei Rosentassen vollgießt.
    »Ja«, sage ich, und lasse den Kaffeeduft an mir vorbei wehen.
    Gitti schüttet Milch in ihr Haferl, bis es überläuft. Sie schlürft. »Es gibt andere.«
    »Jetz’ fangst du aa no o.«
    »Es wird Zeit.«
    Allerhöchste Zeit. Ich muss runter ins Tal. Schleunigst.
    Der Yukon-Tom hat mir ein Auto besorgt. Den alten Golf von seinem Spezl Mahoney. Es ist ein Syncro. Rot, Baujahr ’91, 100 PS. Tom hat noch den Auspuff zusammenschweißen müssen. Was ich sehr befürworte, denn was mache ich mit umherfliegenden Auspuffteilen auf der Alm.
    »Schaugst halt so um siebene beim Mahoney vorbei«, war die Ansage.
    Es ist schon fünf nach sieben. »Um achte umanand«, hat der Tom gesagt, hauen er und der Mahoney ab, auf irgendein Rockfestival, und kommen vor Samstagabend nicht zurück.
    Ich sag schnell Ciao zu Gitti und Charly, binde meine braven Hunde vom Terrassengeländer, und los geht’s.
    Wir joggen. Den Mari-Steig hinter bis zum Almzaun, die steilen Serpentinen runter, den Hatsch am Segelflugplatz entlang und eine Viertelstunde quer durchs Tal. Im Inneren meiner Ohren höre ich noch das Echo von Smetana, und mein linkes Knie tut so, als wäre es ein zu weich gekochtes Ei.
    Keuchend biege ich beim Tom in die Werkstatteinfahrt.
    »’etz’ is ja do«, sagt der Mahoney. Mehr sagt er nicht mehr, die nächste Dreiviertelstunde.
    Sie haben schon ein paar Bier aufgemacht.
    »Mogst’ aa a Hoibe?«
    Wenn ich jetzt ein Bier trinke, haut’s mich wahrscheinlich hintenüber.
    »Ja«, sage ich und trinke.
    Schmeckt, macht den Boden wieder eben und mich leichter, sodass meine Knie mich wieder besser tragen.
    Und dann stellen wir uns im Dreieck um den roten Almgolf auf.
    »Do werst schaun«, sagt der Tom. »Der wiegt keine 800 Kilo. Der Mahoney hat’n a bissl ›erleichtert‹, wie’n er no imEinsatz g’habt hat.« Außerdem ist die Hinterachse sichtbar erhöht. Der Golf sieht aus wie ein Springbock.
    Tom macht eine Showfahrt für mich, quer durch seinen Hinterhof und über die Wiese.
    »A Gerät.« Die Winterreifen sind im Kofferraum. Kaufvertrag mit Kugelschreiber. Und dann gehört er mir. Ich hab Herzklopfen.
    »Mein Alm-Auto«, seufze ich selig. Mein Super-Golf.
    Ich weiß nicht, warum ich das immer wieder mache – mich in Autos verlieben. Ungefährlicher als in Männer. Aber irgendwann brechen sie einem doch das Herz. »Wir zwei – für immer und ewig« – das kann kein Mensch aufrechterhalten. Ein Hund auch nicht. Und erst recht kein Auto.
    Ich trink noch ein Bier.
    Der Tom lehnt sich an die alte Harley vom Mahoney und meint, das wär was, mit der durch Alaska zu fahren.
    »Hob i g’macht«, sagt der Mahoney völlig überraschend. »War geil.« Und dann erzählt er von der State Route 2, von Elchen und Bären und von Pässen, auf denen du drei Tage lang keinem Menschen begegnest. Von einem Grenzübergang nach Kanada, irgendwo in den Rockys. Eine Baracke an der einzigen Straße weit und breit, links 1000 Kilometer nichts, rechts 1000 Kilometer nichts, hinter dir 1000 Kilometer nichts, und vor dir wahrscheinlich auch 1000 Kilometer nichts. Aber der Schlagbaum ist zu, wenn du da in der Früh um sieben hinkommst. Der Grenzer wär schon da. Der wohnt dort. Geht nicht anders. Nur macht er erst um neun auf.

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