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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
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Straße auf die Alm rauf wirkt im Auto steiler als zu Fuß. Aber der Golf muckt nicht ein einziges Mal, nicht durch den Bach und nicht im losen Schotter in der steilen Kurve an der Mur’.
    Ich parke vor der Mistgrube.
    Charly und Gitti haben ihren kompletten Alm-Hausstand in einen hölzernen Anhänger gestapelt. »Oimkarrn 1951« steht in Krakelschrift in die Seitenwand gebrannt. Gezogen wird er von Charlys Lada.
    »Wia war d’ Strass?«, fragt Charly.
    »Steil.«
    »Zwoa-, dreimal wenns’d g’fahr’n bist, bist’as g’wohnt«, grinst er mich von der Seite an. »Ois is bloß so schlimm, wia ma’s g’wohnt is!«
    Zwanzig Minuten später sind sie endgültig auf dem Weg in ihre Flitterwochen.
    Und ich allein mit 45 Viechern, auf 1400 Metern.

Kaas oder Kniescheib'n
    Tag 1
Die Sennerin von der Nachbarhütte hat schon auf einen Kaffee vorbeigeschaut. Fiona. Eine Südtirolerin. Sie ist für die Liebe nach Frankfurt gezogen und dann nach München. Die Liebe ist jetzt irgendwo anders. Fiona ist geblieben. Kompromisslos entschlossen, ihr Leben zu leben. Plötzlich fühle ich mich wie ein Weichei.
    Ich schleppe eine zusätzliche Schaumgummimatratze vom Matratzenlager in meine Schlafkammer, lege das blümchenbemalte Bauernbett damit aus. »Nika!« »Wuä?« »Kein Fressen von egal was vom Küchenbüffet. Kein Rumbellen auf der Terrasse. Und nicht in den Keller gehen!« Bis ich fertig bin, ist es halb vier.
    Die Kälber trotten schon im Gänsemarsch auf den Stall zu.
    »Hey, Kaiben«, singe ich ihnen entgegen.
    Da grollt ein Donner durchs Tal. Billy schleicht zurück in die Hütte und in den hintersten Winkel unter der Eckbank. Die Nika hat keine Angst vorm Donner. Im Gegenteil. »Wäff! Wäff!!«
    Die Kälber bleiben wie angewurzelt stehen, alle elf, und glotzen uns an.
    Nika, ab in die Hütte.
    Der Himmel ist bleischwarz geworden. »Keeemmt’s, Kaiben, keeeemmt’s!«, singe ich.
    »Auf geeeht’s, hoamgeh!«
    Wir kommen zehn Schritte weit. Und sowie ich denke, »Brave, Kaiben«, zerreißt ein Donnerschlag den Himmel. Man sieht förmlich den Riss. Eiskugeln fallen aus der schwarzen Wolkenwand.
    »MMMmmmöööööööhh!!«, jammern die Kälber und stehen wehrlos da, mitten im Hagel.
    »Kaibe, kiiiimm!«, schreie ich, sause um sie rum und bild mir ein, sie zum Stall treiben zu können.
    Nix.
    D ddRRRRRWWHHAMMM haut der Donner ein zweites Loch in den Himmel.
    Und dann geht’s richtig ab.
    Innerhalb von Sekunden sind die Almwiesen weiß. Eiskugeln prasseln auf unsere Köpfe. Die Kälber schreien jämmerlich und rennen davon. Bergab. Irgendwohin. Hagel haben sie noch nicht gelernt. Kälber müssen alles lernen. Laufen, grasen, aus dem Brunnen saufen, Kraftfutter fressen, in den Stall gehen. Alles. Wie Kinder. Hagel war noch nicht dran. »Kaibeeee!«, schreie ich und möchte ihnen nachlaufen, ihnen zeigen, dass sie sich unter die Bäume stellen müssen. Nicht auf der offenen Wiese stehen bleiben. Aber Hunderte Hagelgeschosse schlagen auf meinen Kopf ein, und ich flüchte mich unters Stalldach.
    Wie ein gestrandeter Wasserratz spähe ich nach draußen. Man sieht nichts. Nur weiße Kugeln, die im Boden einschlagen und dann einen halben Meter hochhüpfen. Man hört auch nichts, denn das Blechdach macht Trommelwirbel.
    Und die kleinen Kaibe’n draußen unterwegs, ohne Dach.
    Fünf Minuten später ist alles vorbei. Es hört einfach auf, zwischen zwei Augenblicken, genau so, wie’s angefangen hat.
    »Kaibeeee’n!«
    Ich seh sie nicht gleich. Der Boden dampft. Von den Bäumen fallen dicke, eiskalte Tropfen. Blätter und Zweige liegen auf der Wiese. Wasserläufe, die’s normalerweise gar nicht gibt, graben grüne Schneisen durch die Hagelkörner. Hinterlassen Eishaufen in den Senken, neben einem umgefallenen dürren Baum, und einfach mitten auf der Wiese.
    »Kaibeee’n!«
    Ein Bimmeln haucht kaum hörbar zu mir herüber.
    Sie stehen zwischen den Fichten, links von der Hütte.
    »Braave Kaiben«, murmle ich. Ganz langsam geh ich auf sie zu. Sie werden denken, ich hab ihnen das angetan. Kaum taucht diese Wetterhex’ da auf und sagt, Kiiimm, Kaiben,hoamgeh! werden wir mit Eisbrocken beschossen! Hoamgeh. Tsss. Wir sind ja nicht auf der Brennsupp’n daher geschwommen.
    »Kaaaai-beeeee!«
    »Mööööh«, sagt eins. Ganz verloren.
    »Kiiiiiimm«, flüstere ich ihm zu und streck die Hand aus. »Kiiiiiiimm, Spatzl.«
    Und tatsächlich, es kommt. Es ist das kleinste. Seine Ohren sind viel zu groß für den Rest seines

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