Auch unter Kuehen gibt es Zicken
ham?« Gittis Stimme knistert wie ein Glückskeks.
»Äh ... ja.«
»Morg’n fahr ma in Urlaub. Deswegn war’s mir lieber, wir machen heut das ganze Stallzeug und alles.«
»Ja, klar. Wo fahrts’n hin?«
»Seychellen.
»Perfekt.«
»Z’erst hama überlegt, ob ma vielleicht nach Südtirol fahren, a Freundin von mir hat da a Alm ... aber dann ... Alm is super ... aber du arbeitst halt ständig.«
»Jep.«
»Obwohl’s mi echt g’juckt hätt. Die Alm geht bis auf 2800 Meter.«
»Ja, das ... wow. Noch mal ganz was ander’s.«
»Ausse, Selma!« Entschlossen stemmt Gitti sich gegen 850 Kilo Zeit. Zeit zum Rumschnofeln auf dem Boden. Zeit zum Dastehen und einen unglaublichen Kuhdatschi auf die Eichenbohlen zu kacken. Zeit zum Schauen. Zeit.
So lange stehen wir da, dass die Sonne hinters Hüttendach sinkt und einen goldenen Streifen über Selmas breiten Rücken in den Stall schickt. Wunderschön. Glitzerperlen klimpern auf meiner Haut.
Ich freu mich. Auf den Kaffee, über die Kuh Selma, über die Alm, und gleichzeitig ist mir ein bisschen schwindlig. Ich bin das alles nicht mehr gewöhnt. So viel rumlaufen. So viel Berg, so viel Licht. Und so viel Liebe auf einem Fleck.
Gut, denke ich. Dann räum ich mal den Kuhdatschi weg.
Selma zupft sich zur Nachbarhütte, nachschauen, ob ihre Freundinnen auch schon fertig sind mit dem Melken. Und tatsächlich joggen drüben zwei sportliche rotbraune Fleckviehdamen aus dem Stall, ’s Amserl und ’s Zeiserl. Die zwei miteinander bringen’s auf ein Gesamtgewicht, das das Einzelgewicht von Selma nur minimal überschreitet.
»Nett, gell, die drei«, lächelt Gitti gerührt.
Auch in mein Gesicht zeichnet sich ein seliges Lächeln. Und so stehen wir zu zweit in der Stalltür und schauen zu,wie unsere Kühe hinter in den Risserkopf spazieren. Noch ein bisschen fressen, und dann schlafen. Ach ja, miat’n tu ich alle zwoa Tog! Gitti zeigt mir den Sack Kleie und Salz in der Futterkiste. Einbruchsicher. »Ja, des war’s eigentlich scho.«
Die elf Kälber im vorderen Stallabteil lassen ihre dicken Bäuche auf den Boden plumpsen. Tür zu, Licht aus und gute Nacht.
»Schau ma mal, ob der Charly schon einen Kaffee zam ’bracht hat?«
Hat er nicht. Der Ofen qualmt, aber das Wasser ist weit davon entfernt zu kochen. Mit einer tiefen Falte in der Stirn schürt Charly einen dicken Prügel nach. »Oiso, mei Ofen is des ned«, brummt er.
Die Gitti nimmt ihm den Holzprügel aus der Hand und gibt ihm stattdessen eine sinnvolle Aufgabe. »Ich glaub, die Karin braucht noch ein Käserezept.«
Die Falte auf Charlys Hirn glättet sich augenblicklich. Kritisch fasst er mich ins Auge. »Host du scho ’moi kaast?«
Ich schüttle den Kopf. Charly nickt. Kratzt seinen Fünftagebart.
»Oan Kaas am Tag bringst scho no zam.«
Mit gemessenen Schritten sammelt er aus allen Ecken der Hütte einen ganzen Tisch voll Utensilien zusammen.
Ein Stapel geriffelte Holzbretter. Ein schwarzer, 70 Zentimeter hoher Emailtopf. Ein 30 Zentimeter langes Thermometer. Ein Schöpflöffel. Ein Teller mit einem noch vage erkennbaren Enzianaufdruck. Ein langes stumpfes Messer, dessen Griff mit Paketband zusammengeklebt ist. Ein riesiger Schneebesen ohne Griff. Ein altes Marmeladenglas mit der Aufschrift »Lab«, in dem der Rest einer gelblichen Flüssigkeit schwappt. Eine Einwegspritze. Eine Alutüte »Käsekultur«. Ein Nudelsieb. Eine runde weiße Plastikform mit vielen kleinen Löchern. Eine Flasche Zwetschgengeist. Ein Plastikeimer mit weißgrauer Flüssigkeit, auf der ölige Augen schwimmen. Charly nennt sie Salzbad. Und ein altes Leinentischtuch, tausendmal gewaschen.
»Oiso.« Er reibt seine Hände wie ein Meisterkoch vor der Show, zieht einen Zettel und einen Bleistift aus der Schublade und sagt: »Tilsiter.«
Ich schreibe.
Charlys kleine Käsekunde
Also sag ma, du hast 10 Liter Milch.
Die schüttst’ in den Topf. Kupferkessel hama keinen. Aber der Topf tut’s grad a so. Is ja a großer Topf (70 cm hoch, 40 cm breit, schwarz, Email, 80 Jahre alt).
Jetz’ bringst’ die Milch auf 20 Grad. Dann tust’ die Kultur rein. A Messerspitze g’langt. Es geht ja bloß um’s Ansäuern. Die Bakterien vermehrn sich dann schon.
A halbe Stund musst ihnen lassen. Je nach Wetter auch, des hast dann schon im G’fühl.
Dann tust einlaben. Für 10 Liter Milch nimmst’ halt 2 Milliliter Lab. Des san zwei Stricherl an der Plastikspritze. Die tust in a Glasl lauwarms Wasser, rührst um, und schüttst’as in
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