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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
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konnst’ nix vormacha.
    Aber des kriagst’ dann scho raus.
    »Puh«, sage ich. »Tilsiter.«
    Charly grinst mich an wie ein Professor einen Erstklässler: »Im Prinzip is jeder Kaas a Tilsiter. Der Unterschied liegt bloß in der Temperatur und wia fein du den Bruch schneidst. Und in der Lagerzeit, aber Lagerzeit host’ ja eh bloß d’Almzeit.«
    Ich habe auch kein Papier mehr zum Weiterschreiben. Charlys Worte schwimmen um mich herum wie Bojen auf einem Ozean.
    Und dann war da noch die Kellertreppe, duster, die niedrige Tür. Eine Beule an meinem Kopf. Der feuchte Natursteinboden. Der Käseschrank mit Türen aus feinem Gitter, sodass er aussieht wie ein Käfig. Hält Fliegen und Mäuse vom Käse fern. Ich hoffe, der Käse g’spannt nicht, wie ich denke, »Hilfe, ich brauch eine Putzhilfe«.
    »Jetzt hast’ 15 Liter Milch am Tag«, sagt Charly. »Des g’langt guad für oan Kaas. Wenn’s weniger werd, kaast halt bloß alle zwoa Tag. D’Woad’ is ja aa nimmer de Beste. Wenn d’ Kiah bis ganz nauf suchen müssen zum Grasen, das zehrt. Stellst’as dann eh trocken, die Selma.«
    Ich nicke. Ich werde meinen Kopf in den Käsetopf stecken und verzweifeln, das weiß ich jetzt schon. Ich seh’s kommen, dass ich Dinge fabriziere, die nicht mal der Fuchs haben will. Das Beste wird sein, ich käse überhaupt nicht.
    Aber da drückt mir der Charly seine blütenweiße Käseform in die Hand. Er schaut sie an, als hätten sie schon viel mitgemacht miteinander. Als wären sie schon einen weiten Weg gekommen. Aber reden muss man da nicht drüber. Die Dinge sind, wie sie sind, das war schon immer so.
    »Woasst’«, sagt er, »dei’ Kaas wird wie du. Wenn du siass bist, werd er aa siass. Und wenn er bitter werd und stinkt, dann muasst’ was ändern.«
    Sorgsam stellt Charly die geriffelten Bretter zurück in ihr Stangengestell, wo sie von allen Seiten trocknen können. Das Messer, das Glas, den Teller, den Schneebesen, das Thermometer räumt er ins Küchenbüfett, die Käseform obendrauf. Die Kellertür macht er sorgfältig zu.
    »Ah«, sagt er dann noch. Und als ich ihm schnell folgen will, gibt’s zum zweiten Mal einen gewaltigen Knall . In meinem Kopf spielt ein Orchester Smetana mit Glöckchen und Triangel. Durch diese seltsame Melodie hör ich ihn sagen: »’s Licht geht von alloa aus.«
    Vom Rest der Almeinweisung merke ich mir vage, wo der Sicherungskasten ist, die Lichtschalter und welche einzelnen Schritte notwendig sind, bis man den Gasboiler für dieDusche zum Laufen gebracht hat. Es gibt ein Bad mit WC und Dusche. Das ist sehr gut.
    In der Mitte meines Kopfes wächst eine zweite Beule. Sollte ich jemals der Erleuchtung nahe gewesen sein, bin ich jetzt um Jahre zurückgeworfen.
    Gitti hat einen Blumenstrauß auf dem Tisch drapiert. Und Kaffeehaferl mit Rosen. Dazu trägt sie eine Schüssel, bis zum Rand voll mit goldbraunen, paradiesisch duftenden schmalzgebackenen Kugeln.
    Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Das merke ich aber erst, als neben mir jemand schmatzt. »Wuaä?« Nika.
    Gitti lacht. »Magst du aa a paar Almnuss’n, ha?«
    »Nika, nein«, sage ich. Zu spät. Almnuss aus Gittis Hand am Stück verschluckt.
    »Charly, wos is’n jetz’ mit dem Kaffee?«
    Sie haben sich auf der Alm kennengelernt. Vor zwei Jahren. »Weil mei Kaas ewig nix wor’n is, und dann hob i’n einfach moi g’fragt, was i falsch mach«, erzählt Gitti.
    Er war ihr Nachbar.
    »Stocknarrisch war’s, jed’s Mal wenn’s kaas’n wollt«, grinst er.
    »Wie sollst’n da aa ned narrisch wer’n, wenn nix hihaut.«
    »Von nix kimmt nix.«
    »Gscheithaferl.«
    Zuerst war also ewig nix. Man will ja nicht ins G’red kommen. Nicht mal auf der Alm. Auf der Alm schon gleich gar nicht. Keine Sünd’ gibt’s, wenn keiner was weiß. Aber auf der Alm spricht sich das geringste Ereignis rum wie ein Waldbrand. Rührt sich ja sonst nix.
    Irgendwann war’s dann wurscht. Und einen g’scheiten Rausch haben sie wohl auch heimgezogen nach irgendeinem Almnachbarschaftstreffen, auf irgendeiner steilen Wiese, wo man leicht ausrutscht, aber so genau muss ich das nicht wirklich wissen.
    Sie haben in Weiß geheiratet, aber ohne große Hochzeitsfeier. Nur Geschwister, Eltern, Trauzeugen und Charlys bester Freund aus Australien. Sie wollten’s nicht an die große Glocke hängen, weil sie gefühlt haben, Heiraten sollte eine Sache allein zwischen ihnen sein. Und wenn man anfängt, 100 Leute einzuladen – also jeder 100 Leute – und dann noch die

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