Auch unter Kuehen gibt es Zicken
Körpers.
»Braaaaav. Jeeeetza gehma hoam, kemmt’s.«
Und wir gehen heim. Geradeaus in den Stall, jedes an seinen Platz. Dann gibt’s Kraftfutter. Brave Kaiben. So brav. Glück g’habt.
An der Wand über dem kleinen Kalb steht in Gittis Kreideschrift »Wuzerl«.
»Hallo, Wuzerl«, flüstere ich. Auch wenn’s grad keine Zeit hat. Es muss fressen. Die doppelte Portion, damit’s zu den anderen aufholt.
Vom Nachbarstall winkt mir Fiona. »Hast du die Kälber?«
Ich nicke und streck den Daumen nach oben. Fiona auch. Dann zeigt sie hinauf zum Brunnen. »Die Kühe sind da ooobeeeen!«
Super. Da oben. Viel Spaß. Ich stapfe los. Meine Beine bestehen nur noch aus Muskelkater. Keine Knochen mehr.
»Seeeel-maaaa!«, brülle ich. Man kann ja Glück haben.
Vom Brunnen aus quere ich den Grashang bis unterhalb vom grünen Emad’l. Da drin in den Bäumen stehen sie.
»Selma, hopp!«, sage ich, und nachdem sie sich vergewissert hat, dass es nicht mehr hagelt, dreht sie um und kommt.
Der Hang hängt schwer nach links, jetzt, wo wir zurückgehen. Und ich weiß nicht, wie ich da runterkommen soll, ohne meine Beine einzuknicken. Bergauf war eine reine Wohltat gegen die nächsten 100 Meter. Ich muss mich an meiner Kuh abstützen, bis wir auf der unteren Wies’ sind. »Brave Selma.«
Sie donnert von außen gegen die Stalltür. »Jaaaa!«, schreie ich. »Tyrann«, und fühle mich, als wär’ ich seit 20 Jahren mit ihr verheiratet.
Ich eile. Truhe auf, Futter in den Eimer, Eimer an Selmas Platz stellen, Tür auf. Selma stürzt sich auf den Eimer, inhaliert, was drin ist, leckt sich einmal über die Schnauze und fragt: Was war das, eine Kinderportion?
Ich hol unbeeindruckt den weißen Plastikeimer mit den Flügeln. »Z’erst arbeiten, dann wieder fressen«, sage ich.
Meine Hände packen die vorderen zwei Zitzen.
Bsch-bsch-bsch ...
Drei armselige Milchspritzer. Und die Selma bleibt nicht stehen, sagt sie, außer ich stell ihr noch so einen Eimer hin. Ich habe die Wahl ...
»Nix gibt’s«, sage ich.
Trampel, trampel.
»Okay. Von mir aus friss.
Bsch-bsch-bsch ...
Mit Mühe melke ich fünf Liter aus dieser Kuh raus. Es sollten acht sein. Das Euter immer leer melken, um Euterentzündung zu vermeiden, lernt man im Melkkurs. Aber meine Hände sind lahm und meine Unterarme fühlen sich an, als würde sie jemand zersägen. »Selma – Feierabend«, hauche ich, schütte die Milch durch den Seicher, und dann verwende ich 15 aufreibende Minuten darauf, diese Kuh mit meiner letzten Kraft aus dem Stall zu schieben.
Eine Hand voll Heu für die Kälber. Licht aus. Tür zu.
Tag 1, vorbei.
Wie tot falle ich ins Bett.
Das aus Gräsern gebundene Herz baumelt draußen an der Tür.
Tag 2
Es ist drei viertel sechs. Der Wecker klingelt. Es ist saukalt. Nicht aufstehen, flüstert meine kuschelige Daunendecke. Nicht aufstehen.
Um halb sieben hocke ich bibbernd vor dem Ofen und heize ein. Ich muss mir meine Skimütze aufsetzen. Sag amal. So saukalt sein. Es ist der 3. Juli. Das Thermometer vor dem Fenster zeigt vier Grad plus. Der Petrus hat doch einen Vogel, echt!
Endlich brennt das Feuer. Widerwilligst steige ich in meine eiskalte Zimmererhose. Fleeceweste. Schal! Keinen dabei. Dann in die Gummistiefel. Nasskalt.
Ganz schnell noch die Hunde rauslassen. Billy streckt nur die Nase zur Tür raus. Nass , beschwert er sich. Als könnt ich was dafür. Nass! Ja und? Du bist ein Hund!
Leidend verzieht er sich zurück in die Schlafkammer. Nika dagegen macht, holladrio, einen Fünfminutensprint um die untere Wies. Ein einziges Schlammloch.
Hund waschen.
Und dann geh ich in den Stall, Kälber waschen. Ein Gartenschlauch, eiskaltes Quellwasser, eine Wurzelbürste. Brrr.
Das Kalb mit der Nummer 35970 ist die Erste. Heidi. Sie verscheucht das kalte Wasser mit dem Schwanz und klatscht’s mir ins Gesicht. Was mich wach macht, immerhin.
Nächste. 35971. Pippi L. Kackt mir mitten über die Hand. Ich halte Hand und Bürste kurz unter den Gartenschlauch, schrubbe weiter. Dieses Kalb sieht aus wie eine Schlammsau. Weil Klein Selmi, Selmas Tochter, jede Nacht auf sie draufkackt. So passen wir wenigstens zusammen. Beide bis zu den Ellenbogen ... Kann man alles waschen!
Meine bunt gewebten Armbänder aus Peru haben jetzt die Einheitsfarbe Braungrau.
Ich schneid sie ab.
Ich werde mir ein Radio besorgen müssen. Kaiben waschen geht nur mit Lautstärke. Sonst ist das alles viel zu nass und viel zu kalt.
»Raus!«, sage ich, mach die seitliche
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