Auch unter Kuehen gibt es Zicken
nicht glauben, aber es ist passiert.
Es ist passiert.
»Gleich is vorbei«, flüstere ich.
»Die Sternschnuppe ist tot.«
Fiona rutscht über die schlammige kleine Lichtung zu uns runter. Ich schau sie nur an.
Drei.
»Liegt da oben.«
»Und die anderen?«
»Stehen weiter vorn. Kein Kratzer.«
»Kommt jemand?«, frage ich.
»Ja, der Bauer. Bringt den Metzger mit. Hat ihn bloß nicht gleich erreichen können.«
»Gut.«
Sie hat eine Flasche mit einem Gemisch aus Schnaps und Kaffee dabei. Das hat schon halb verendete Tiere wieder ins Leben zurückgerissen.
»Sollen wir?«
Es wird nichts mehr bringen.
Es lässt keine zu Brei geriebenen Knochen zusammenwachsen und stillt keine blutenden Organe.
»Ja, probier ma’s.«
Wir halten Ganserls Kopf und schütten ihr das Zeug ins Maul. Ein Teil läuft daneben, einen Teil schluckt sie sogar. Röchelt. Hustet. Dreht ihre trüben Augen weg.
»Lass es«, sagt Fiona und setzt sich auf den Boden. Die Stirn in die Hände gestützt. Ich reibe ihren Rücken durch die Regenjacke. Mit der anderen Hand halte ich die Äste.
Ich werde diese Äste halten, bis es vorbei ist. Das ist meine Aufgabe jetzt. Es gibt keine andere Aufgabe mehr. Hier stehen bleiben und die Äste halten.
Hannes bleibt bei der Bella, Fiona läuft zur Hütte zurück, um dem Metzger den Weg zu uns zu weisen.
Eine halbe Stunde. So lang. Schweigen. Hannes, Bella, Ganserl, ich. Ein Fichtenast. Regentropfen. Dann nicht mal mehr die.
Ruhig wird es. So staad.
Staad werd’s.
Du woasst, wann des is,
Woasst, wos dann kimmt.
Staad is,
Ois is guad.
Du bist scho dahoam.
Du bist
Scho dahoam.
Der Metzger ist ein junger Mann. Blond, kommt grad mitten aus der Feuerwehrübung, schaut die Bella an, schaut ’s Ganserl an, schnauft einmal durch und holt den Bolzenschussapparat aus seinem Rucksack.
Sanfte Hände hat er.
Zuerst erschießt er die Bella, dann ’s Ganserl.
Nicht einmal jetzt geht ’s Sterben schnell und leicht.
Wir warten.
Bis es wieder still ist.
Dann gehen wir.
Die Koima, die noch droben am Mari-Steig stehen, fünf anstatt neun, treiben wir zur Hütte zurück in den Stall. Da wird man morgen sehen.
Dann geht jeder in seine Hütte.
Jeder macht sich ein Bier auf. Die Mädel haben Gemüsereis gekocht und die Hunde gefüttert und Gassi geführt. Die Kälber liegen breit und friedlich im Stall.
Ich bin froh, dass denen nichts passiert ist.
Heute hat’s uns den Sommer zerrissen. Es ist nicht mehr die gleiche Alm. Es treibt uns früher raus, und wir sind spät noch auf’m Berg unterwegs. Nachschauen. Hoffen.
Aber nicht aufgeben. Das nicht.
Lernen, was für ein Glück das Leben ist. Was für ein Geschenk. Tanze jeden Augenblick.
Flieg vom Sonnenaufgang
Ich habe eine Adlerfeder gefunden.
Mein Hund ist direkt drübergelatscht. Der Billy. Und weil er so ein guter Hund ist, hat er angehalten, ist zwei Schritte zurückgelaufen und wollte draufpieseln. Auf eine Adlerfeder!
»Ned o’piesl’n!«, hab ich gejapst. Ich hab sie nach Hause getragen wie ein Heiligtum.
Es ist keine riesige Feder. Keine Schwungfeder. Irgendeine normale Gefiederfeder. Ich werd, wenn ich Gelegenheit dazu habe, den Jäger fragen, was es genau für eine ist.
Ich hab sie über meinem Bett in die Ritze zwischen zwei Balken gesteckt.
Eine Adlerfeder heißt Freiheit.
Weitblick. Schauen bis hinter den Großvenediger.
In Peru ist der Adler ein Krafttier. Er steht für die Himmelsrichtung Osten. Er fliegt zu uns vom Sonnenaufgang. Er zeigt uns die hohen Berge, von denen wir kaum träumen können. Er kennt die Weisheit, die auf den schneebedeckten Gipfeln wohnt. Der Adler steht deshalb für die Weisheit in uns selbst. Für die Kraft unseres Bewusstseins. Göttliches Bewusstsein. Die Kraft, alles von oben zu sehen. Das große Ganze. Und doch den Blick für jedes Detail zu bewahren. Die Freiheit.
Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich die Feder anschaue.
Vielleicht ist es so. Vielleicht kann ich das jetzt. Frei sein. Mein Leben wählen. Meine Welt leben.
Freiheit ist, wenn du das, was du tust, mit Liebe tust. Voll und ganz, und nichts anderes. Wenn du in dem, was du tust, nicht den Wunsch hast, irgendwo anders zu sein, dann bist du frei. Keine Hindernisse mehr zwischen dir und deinem Glück.
Wenn die Adler fliegen, dann heißt das auch, dass der Sommer da ist.
Es ist August, und ich atme auf. Der Boden ist trocken. Ich kugle mit der Nika über die Wiese. Aber bald hängt ihr die Zunge bis zum Boden. Die Tage sind
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