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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
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eigentlich. Ganz still. Als hätt sie sich hingelegt zum Ausruhen.
    »Servus, Koibal«, sage ich und streichle ihre Stirn. Sie nickt nicht mit dem Kopf, wie sie’s sonst tun würde. Schaut mich nicht an. Schaut nach innen.
    Und dann seh ich die Hinterbeine. Eines normal, wie sie’s eben unter den Körper schieben, wenn sie liegen. Das andere umgeknickt, gefaltet wie Papier. Nach hinten rausragen.
    Mir wird schlecht.
    Das ist nicht zu reparieren.
    Das ist ein Todesurteil.
    Scheiße. Sage ich. Scheiße, das gibt’s doch nicht!!
    »Karin?«
    Hannes. Hinter einem Baum. Eine riesige Fichte. Die Äste hängen bis zum Boden.
    »Ja?«
    »Warum hast’n du dein Handy nicht dabei?«
    »Ich ...«
    »Das musst du dabei haben. Immer.«
    »Ich hätt ja eh nix machen können.«
    »Es kann aber auch mit dir was sein.«
    »Wo bist’n du?«
    »Da hint’.«
    Ich geh da hin, wo er ist.
    »Seit a halben Stund’ bet’ ich, dass er sie endlich erlöst. Aber nix. Koa Gott do heut’.«
    ’s Ganserl liegt unter dem Baum. Die Vorderbeine unter dem Körper, gestreckt, der Kopf bergab, Blut rinnt aus der Nase, beide Hörner hängen wie nasse Papierfetzen neben ihren Augen runter.
    »O mein Gott. Was mach ma denn jetzt?«
    »Nix. Die Fiona telefoniert mit’m Bauern.«
    »Hast du ein Gewehr dabei?«
    »Naa.«
    Hätte ja sein können. Er trägt immer einen Jägerrucksack. Sieht auch aus wie ein Jäger. Sein bester Freund ist ein Jäger. Ich wäre froh um ein Gewehr, und ich würde schießen.
    »Messer?«
    Naa.
    »Scheiße.«
    Ich hör ein Poltern und kleine Steine kullern. Die Bella rappelt sich auf. Vorn auf den Knien, die Hinterbeine wollen in die Höhe, aber eines fehlt.
    »Hannes!«, schreie ich. Er läuft runter zu ihr. Aber was soll er tun? Wumm, macht es, und Bella rollt. Über einen Felsen. Über einen Baumstumpf. Bleibt am nächsten Felsen hängen, und liegen.
    Hannes setzt sich neben sie. Wortlos.
    Aufpassen, dass sie nicht noch mal aufsteht, das kann er machen.
    Und ich? Ich bete.
    Ein Gebet an die heilige Maria. Gottesmutter. Breit die Arme aus. Halt uns, Mutter, wo wir uns nicht halten können. Bring uns Frieden, wo wir Angst haben, führ uns nach Haus, wenn wir verloren sind. Halt uns, Mutter, wenn wir weinen. Wenn wir sterben. Nimm unsre Schmerzen, Mutter, zünd ein Licht an, wenn wir gehen. Hol uns heim.
    Ich bete das, um nichts anderes denken zu müssen. Um den zerschmetterten Körper nicht als ganze Wahrheit sehen zu müssen. Um eine Welt dahinter ahnen zu können. Wo’s aufhört wehzutun. Wo’s still wird. Keine Angst mehr. Nicht mehr kämpfen.
    Meine Fäuste packen die Fichtenäste, die dem Ganserl in die Augen hängen. Wenn die weg sind, denke ich, hört sie vielleicht auf, sich hochkämpfen zu wollen. Bleib doch liegen. Hör doch auf zu kämpfen.
    Wie stirbt man? Was weiß ich schon davon, wie man stirbt. Ich hab den Tod noch nie gesehen. Das, was ich für den Tod gehalten habe, das war er nicht.
    Mein Gott, Ganserl, es dauert nicht mehr lange, die sind gleich da.
    Ich bete, und ich hör ihr zu.
    Die Welt ist so ein schöner Ort. Gehen ist nicht leicht. Alles loslassen. Nichts behalten. Nirgends mehr sein. Keine Wiesen mehr um mich haben. Keine Wolken mehr, kein Nebel, keine Sonne.
    Ein anderes Licht ist das. Es hüllt mich ein.
    Aber weit weg ist’s. Davor ist Dunkel.
    Angst hab ich.
    Mein Körper ist kalt. Da waren Schmerzen, überall. Ich fühl nicht mehr. Keinen Körper mehr. Es geht langsam. Vor dem Kälterwerden hab ich Angst.
    Ein Beben geht durch ihren Körper. Ein Sträuben. Sie kann den Kopf nicht heben. Und versucht’s doch. Ihre Vorderbeine … O Gott, denke ich. Da müssen die Schultern ausgerissen sein.
    Sie atmet gurgelnd.
    »Bitte, verdammte Scheiße!«, bete ich. »Warum kommt nicht endlich jemand und erschießt sie?!«
    Sie atmet lange, lange aus.
    Vielleicht hab ich nie wirklich das Leben gesehen. Nie ohne Vorsicht jemanden geküsst. Immer auf den Boden geschaut, wenn ich gehe, anstatt in den Himmel.
    Leben ...
    Ihr Körper fängt an zu rutschen.
    »Sch-sch-sch«, mache ich.
    Sie kämpft. Sie will da raus. Unter dem Baum raus. Dort nicht bleiben. Wieder leben. Die steilsten Hänge rauf- und runterspringen, wie sie’s immer gemacht hat. So geschickt, wie sie klettert. Wie eine Gams. Ihr Körper ist trainiert wie der einer Sportlerin. Ein toller Körper. So viel Kraft.
    Zweimal schiebt sie noch, und dann plumpst sie zurück. Ihr Körper ist zerschmettert. Sie kann’s nicht glauben, ich kann’s

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