Auch unter Kuehen gibt es Zicken
heiß wie ein Grill. Und am Abend donnern Gewitter durch die Klarau-Alm, dass die Hütte wackelt.
Almsommer!
Ich melke die Selma zum letzten Mal heute.
Wir zelebrieren das. Einen Extraschwung voll Kraftfutter, eine Handvoll frische Heublumen, den Kaiserwalzer aus meiner Radiokonstruktion, meine Stirn an ihrem weichen Bauch, und los geht’s. Bsch-bsch-bsch-bsch ... Bsch-bsch-bsch-bsch …
Vier Liter.
»Selma, du bist die beste Kuh auf der Alm, weißt du das?«
Sie bläst mich an aus ihren Nasenlöchern, dass ich Wind auf meiner Haut fühle.
Ich schütt die Milch gleich in den Topf, zusammen mit der von gestern, schnell ein letzter Käse, und dann war’s das mit der Milli-Pritschlerei für dieses Jahr.
Und dann lass ich meine Kuh von der Kette, mach die hintere Tür auf und geh mit ihr ein letztes Mal durch den Stall. Zum Brennholzhaufen an der Wand, ein paar runtergefallene Heuhalme fressen, ein bisschen in den Sägemehlhaufen prusten, schauen, ob die Futterkiste wirklich zu ist … Und ein paar Minuten zur Tür rausschauen. Ein lauer Sommernachmittag.
Selma und ich drehen gleichzeitig den Kopf. Drüben beim Nachbarn geht die Stalltür auf. Die zwei Kühe traben heraus,direkt zum Wassertrog und saufen ihn halb leer. Fiona läuft mit ihren Sportlerschritten zum Risserkopf rauf, Kälber holen. Meine Kleinen tummeln sich droben am Swimmingpool. So nenn ich den seichten Teich mitten in der Wiese im Kessel. ’s Wuzerl steht bis zu den Knien im Wasser. Bäuche haben sie wie kleine Tonnen. Aber auf Diät setzen kann ich sie schlecht hier oben. Die laufen rum und fressen den ganzen Tag. An meine Kuh gelehnt sehe ich das alles nebenbei. Und nebenbei falle ich in ihren Atemrhythmus.
Ganz langsam.
Dastehen und schauen.
Das ist ein Teil von meinem Tag geworden. Ein wichtiger Teil. Ich hoffe, ich verlern das nicht wieder. Im Tal verlernt man schnell.
»Urlaub, Selma«, flüstere ich in ihr Ohr.
»Mmmmmmmmhhhh.«
»Danke für die Zeit ...«
Ein bisschen stehen wir noch da, und dann latscht sie langsam raus. Trinkt einen Schluck Wasser am Brunnen, brüllt zu ihren zwei Freundinnen rüber und marschiert ihnen hinterher.
Zufrieden mach ich die Stalltür zu. Ich komm genau rechtzeitig zum Käserühren. Klein, aber fein wird der. Das i-Tüpfelchen in meiner illustren Sammlung drunten im Käsekäfig.
Irgendwann läuft’s von allein. Sobald man Zeit hat für die Dinge, die man gerade macht.
Das hab ich von meiner Selma gelernt.
Und dann geh ich rauf zum Aiplspitz-Gipfel. Ich sitz am Gipfelkreuz und schau, so weit meine Augen sehen können. Zugspitz, Karwendel, Großvenediger. Bis die Sonne vor meinen Augen bunte Punkte tanzen lässt und Salzspuren auf meine Haut malt. Bleib sitzen, bis sie, tiefrot, versinkt, weit hinter der Zugspitz’. Und ins Gipfelbuch schreibe ich: Heute hab ich gesehen, dass die Erde ein Planet ist. Und wir hängen alle kopfüber, ob wir wollen oder nicht.
Heuwetter
Das Gras im Almanger steht über kniehoch. Es wird höchste Zeit, dass wir mähen. Sonst haben wir nur noch dürre Stangerl, die niemand fressen mag.
Ich lauere stündlich auf den Wetterbericht im Radio. Mit Mikrometerbewegungen versuche ich, einen österreichischen Sender reinzukriegen. Denn wettertechnisch kann man Antenne-Bayern-Drei vergessen. Jedenfalls auf der Alm. »Gegen Abend am Alpenrand örtliche Gewitter.« Ja, danke. Wo genau? Der Alpenrand ist lang und weit ...
Also mäh ma, wann der Nachbar mäht. Aber der kann sich auch nicht entschließen, sagt Fiona.
Es ist ein Kreuz mit dem Heu ...
Drei Tage heiß, trocken und a bissl Wind. Das braucht man für ein gutes Heu.
Kein Gewitter.
Ich könnte Vladó anrufen.
Vladó ist ein alter Freund von mir. Er ist Fotograf. Eigentlich hat er jahrelang Werbung gemacht. Bis er diese Wolke fotografiert hat. Eine Gewitterwolke. Ein lokales Phänomen nennt er so was mittlerweile. Eine Wolke, genau über Rosenheim. Tiefschwarz. Und durch die Wolke zucken Blitze, blau, weiß, golden, und ein grüner. Wie in einer Lasershow. Und alles ohne Photoshop. Auf Film. Von der Kampenwand aus gemacht.
Dieses Foto hat Vladó in die Kunstszene katapultiert. Und die Galeristen wollen mehr . Also wenn einer weiß, wo die Wolken sind, dann Vladó.
Es klingelt ewig. Dann, endlich, atemlos: »Pronto!«
»Wie schaut’s aus mit Gewitter?«
»Schlecht«, meint er.
»Wie lang?«
»Heut und morgen. Übermorgen Abend könnt’s klappen.«
»Wie viel Uhr?«
»Was, wie viel Uhr?«
»Wann das
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