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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
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kümmerst dich! Also drehe ich um und melde uns an. »Grüß Gott, wir haben da einen Beißunfall, der Zahn steckt in der Lippe.«
    Cansin kriegt das volle Programm. Vollnarkose, Kreislaufüberwachung, Operationsbesteck, und mit einiger Mühe fieselt die Tierärztin den Zahn aus der Lippe. So was hat sie auch noch nie gesehen. Sie spült und näht das Loch, gibt uns eine Tüte Antibiotika mit, und dann warten wir, bis der Hund wieder aufwacht.
    Es ist seltsam, einen leblosen Körper zu bewachen. Sogar wenn ich weiß, dass es nur eine Narkose ist. Das ist nicht wirklich die Cansin, die ihre feine, stolze Schnauze so weit oben trägt. Was passiert da? Leben und Körper ist nicht unbedingt ein und dieselbe Sache.
    Wie einsam Lia aussieht. In der Ecke am Boden wartend, dass ihr Hund zurückkommt.
    Eine Stunde später fahren wir zurück auf die Alm. Vorsichtig. Weich. Und ganz, ganz leise.
    Ich werde schon erwartet. In Selmas Zeitrechnung bin ich zu spät. Vorwurfsvoll steht sie vor der Stalltür.
    » MMMMAAAAAHH !« Wo warst du!!
    Ich springe aus dem Golf, mach die Stalltür auf, und fürchte um die Scharniere, denn Selma nimmt keine Rücksicht. Wo ist mein Eimer !?
    Als ich nach dem Melken aus dem Stall komme, hockt Hannes, unser Almnachbar, auf der Terrasse. Ein Bier in der Hand. Er kommt bereits vom Feiern, drüben im Siebenthal haben die Almleute getauscht. Halbzeit is. Und der Xaver, dortiger Almerer und begnadeter Volksmusikant, hat für dieses Jahr seinen Abschied gefeiert.
    »Hoi«, sage ich zur Begrüßung. »Was machst’n du da?«
    »Nachschau’n«, sagt Hannes. »Ob alles passt.« Er hat auf einmal ein schlechtes Gefühl gehabt, sagt er. Irgendwas, hat sein Gefühl gesagt, stimmt nicht bei den Mädel drüben. Da ist er nachschauen gekommen.
    »Treffer«, sag ich. »Lia und ich waren grad beim Tierarzt.«
    »Woass scho Bescheid.«
    Na, dann.
    »Hat die Fiona ihre Viecher schon gefunden?«, frage ich. Und bete um ein Ja.
    »Nein.«
    Besorgt kommt sie auf meine Terrasse. »Ich war überall. Das ist echt Scheiße jetzt.«
    Es wird keine Ruhe mehr geben, heute nicht. Dann suchen wir alle miteinander. Ich teile Hannes und die Mädel ein, wie ein Feldwebel.
    Fiona geht noch mal hinter zum Mari-Steig. Einfach aus einem Gefühl raus, auch wenn sie da schon war. Meistens liegt sie richtig mit ihrem Gefühl.
    Hannes geht in den Wald unterhalb vom Risserkopf. Hoffentlich sind die da nicht drin, denke ich, das ist ein komischer Hang.
    Die Mädel umkreisen das kleine Holz hinter der Hütte, und ich geh rauf zum Hochlatsch, zum Paradies und bild mir ein, in der Ferne Glocken zu hören.

So staad
    In dem Nebel sieht man nichts, und wo das Bimmeln herkommt, kann ich nicht sagen, aber irgendwas bimmelt da oben. Also geh ich weiter. Durchkreuze die letzte Wiese, und oben am Zaun offenbart sich, wo die Glocken bimmeln. Andere Seite. Moosboden-Alm. Nicht unsere Viecher.
    Unverrichteter Dinge laufe ich wieder runter zur Hütte. Ich ertappe mich dabei, wie ich denke: Was soll’s. Morgen ist schöneres Wetter, und dann kommen sie eh von allein. So was darf ich nicht denken auf der Alm. Aber ich möchte einfach in die Hütte, duschen und mich auf die Eckbank setzen.
    Hana wartet schon auf der Terrasse.
    »Die Tiere sind abgestürzt«, sagt sie.
    Ich habe das Gatterl noch nicht aufgemacht. Mach’s auch nicht auf. Denke zu langsam. Frage wie ein Idiot: »Wie – abgestürzt?«
    »Dahinten.« Hana zeigt talauswärts zum Mari-Steig.
    Dahinten is doch nicht gefährlich, denke ich. Oben is’ doch nur gefährlich.
    »Alle sind ganz aufgelöst. Die haben versucht, dich anzurufen.«
    »Aha.« Mehr fällt mir nicht ein.
    »Deine Nachbarin hat gesagt, eine Kuh hat sich das Bein gebrochen.«
    »Schmarrn.«
    »Doch, ich glaub schon.«
    »Wo genau?«, frage ich.
    Da kommt Fiona schon gelaufen. Vom Mari-Steig zu ihrer Hütte. Und da versteh ich endlich.
    Ich lauf ihr entgegen. »Wo?!«
    »Mari-Steig, unterhalb, beim Marterpfahl.«
    Ich renne los.
    Als könnte ich was ändern an dem, was passiert ist.
    Der Marterpfahl ist ein abgesägter Fichtenstamm auf einer Lichtung, auf dem ein Salzstein fürs Wild steckt. Allerdings 2,50 Meter hoch. Kein Hirsch hat so einen langen Hals. Wahrscheinlich ist das nur für den Winter. Warum der Marterpfahl heißt, weiß so genau keiner. Und jetzt markiert er die Absturzstelle.
    Dann seh ich sie. Die kleine Gelbe. Bella. Ich glaube, sie heißt so, weil sie so hübsch ist. Ich seh sie von vorne. Friedlich

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