Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

ausgeschlossen. Die Medien sprachen unappetitlicherweise von neun »Döner-Morden«, die ermittelnden Beamten vermuteten organisierte Verbrecher hinter den Taten und unterstellten den Opfern und deren Familien Verbindungen ins kriminelle Milieu.
    Als dann später das ganze Ausmaß der Verbrechen der Dreierbande offensichtlich wurde und auch ein wenig von der Schlamperei und Nachlässigkeit der zuständigen Behörden, empfanden dies viele Mitbürger mit ausländischen Wurzeln als Demütigung. Sie fragten sich, vielleicht nicht zu Unrecht, ob sie sich als Ausländer oder als Deutsche mit Migrationshintergrund noch auf diesen Staat verlassen können. Ist das Leben von Gastarbeitern nichts wert? Sind Döner-Verkäufer generell in kriminelle Aktivitäten verstrickt und selbst verantwortlich für ihren Tod? Ist der Staat tatsächlich auf dem rechten Auge blind? Manch einer reagierte stark verunsichert.
    Auch wenn ich diese Befürchtungen selbst gut verstehen kann, in meinem Freundeskreis hat diese NSU-Geschichte absolut nichts ausgelöst. Das hat uns wenig bis gar nicht interessiert, vielleicht auch deshalb, weil wir das nicht als so spektakulär empfanden. Ehrlich gesagt, hat es uns nicht unbedingt überrascht, dass so etwas möglich ist in diesem Land, was allerdings auch schon für sich spricht.
    Ein einziges Mal haben wir uns darüber unterhalten, dann nämlich, als der PC von Beate Zschäpe vom BKA ausgewertet wurde und herauskam, dass sie sich für mich interessiert hat. Ich hatte in der Bild -Zeitung gelesen, dass sie nach Bushido gegoogelt und Songtexte von mir gesammelt hatte. Deshalb meinte ich dann im Scherz, dass die wohl ein Fan von mir gewesen sei, worauf ein anderer meinte, dass die vielleicht auch ein Attentat auf mich geplant hätten. So etwas war mir zuvor nie in den Sinn gekommen und ich dachte, dass das vielleicht stimmen könnte, und war dann sehr froh darüber, dass die zum Glück alle tot oder im Knast sind.
    Das entscheidende Problem an der Akte Nationalsozialistischer Untergrund allerdings ist, dass es bei dieser Geschichte so viele Ungereimtheiten gibt und die staatlichen Stellen eine mehr als unglückliche Rolle dabei spielen. Viele meiner Freunde sind deshalb der Überzeugung, dass da sowieso nichts so gelaufen ist, wie es uns präsentiert wird, und wenn man die Berichte über angeordnete Aktenvernichtungen und Beweismittelunterdrückung liest, hat man auf jeden Fall genug Stoff für Verschwörungstheorien aller Art. Das Gefühl, verarscht zu werden, wird man dabei nicht los.
    Mein Verhältnis zur Polizei ist im besten Fall ambivalent zu nennen. Im Großen und Ganzen fühle ich mich von Deutschland, dem Staat und seinen Organen gut geschützt. Auch wenn man die Einhaltung von Menschenrechten als selbstverständlich nimmt und man so etwas wie Gerechtigkeit und Gleichbehandlung voraussetzt, so ist das bei näherer Betrachtung eben doch keine Selbstverständlichkeit. Und man kann es nicht laut und oft genug aussprechen, dass Deutschland einer der liberalsten, tolerantesten und fortschrittlichsten Staaten der Welt ist! Durchaus mit Abstrichen und erst mal theoretisch, aber wer will schon in Russland vor Gericht stehen? Wer will in einem türkischen Gefängnis landen? Wer will im Gazastreifen verhört werden? Welches Vertrauen hätte man in die amerikanische Justiz?
    Auch die Korruption hält sich in Deutschland noch sehr in Grenzen. Natürlich gibt es Bestechlichkeit und »haste was, biste was« gilt auch hier, aber zumindest kann man sich hier sicher fühlen und Gefahr für Leib und Leben – weitestgehend – ausschließen. Das sollte man sich immer wieder bewusst machen, denn so selbstverständlich und natürlich, wie wir das hinnehmen, ist es auch heutzutage nicht überall. Im Libanon oder der Türkei, in Syrien, Ghana, Weißrussland und China kann ich diese Gewissheiten nicht immer und zu jeder Zeit voraussetzen, und selbst in Italien läuft es schon ganz anders ab, obwohl das ja noch zum guten Europa gehört. In dieser Hinsicht kann man sich auf Deutschland verlassen, was nicht bedeutet, dass das ganze Behördenwesen und juristische System so angelegt ist, dass Ausländer gut damit zurechtkommen. Das ist alles sehr kompliziert und in den meisten Fällen ist es sogar für Deutsche vollkommen undurchschaubar. Jemand wie meine Mutter hatte wohl selten Probleme mit der Polizei und den Behörden. Allerdings hatte sie als Otto Normalbürgerin auch keine Privilegien und vor allem hatte sie kein