Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Titel: Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anis Mohamed Youssef Ferchichi , Marcus Staiger
Vom Netzwerk:
verbirgt sich hinter so mancher Israelkritik auch echter Antisemitismus, und das ist eklig, auf der anderen Seite lässt der sich von einer bloßen Israelkritik oder von einer propalästinensischen Position doch ganz gut unterscheiden. Wenn man allerdings alles als Antisemitismus bezeichnet, dann ist eben alles antisemitisch und dann?
    Komischerweise begegnet mir der echte Antisemitismus eher dann, wenn ich auf Deutsche treffe.
    Wenn wir auf irgendwelchen Empfängen Leute kennenlernen, mit denen wir eventuell Geschäfte besprechen wollen, ganz normale deutsche Geschäftsmänner, dann ist es immer sehr befremdlich, wenn wir hinter vorgehaltener Hand Judenwitze zugeflüstert bekommen. Das passiert übrigens sehr viel öfter, als wenn wir mit unseren Jungs unterwegs sind, wo fast nie ein judenfeindliches Wort fällt. Dabei weiß ich gar nicht, was diese deutschen Typen eigentlich gegen Juden haben. Die haben mit dem Israel-Palästina-Konflikt ja gar nichts zu tun und ich verstehe auch nicht, warum irgendjemand generell was gegen andere Menschen hat, sofern er nicht einen ganz persönlichen Grund dafür hat. Wenn deine Familie im Krieg aufwächst, der zwischen zwei Völkern herrscht, und du dann auf der einen Seite stehst, verbittert bist und auf die andere Seite sauer bist, das kann ich verstehen, da bist du eben persönlich betroffen. Was aber hat ein bayerischer Geschäftsmann damit zu tun? Warum erzählt er blöde Judenwitze, wenn er auf mich und Hassan trifft? Will er uns damit gefallen und sich bei uns einschleimen oder ist das tief in ihm verwurzelt? Irgendeine Vorbelastung muss es da ja bei ihm geben, dass er sich überhaupt in dieser Richtung in das Thema einbringt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er aufgrund einer spontanen Sympathie für uns Sprüche rauskramt, von denen er denkt, dass wir sie hören wollen. Man kocht ja auch nicht jedem gleich sein Lieblingsessen, nur weil man ihn gerade auf einer Party kennengelernt hat.
    Ich glaube, dass dieser Judenhass, der auf jeden Fall existiert und den ich bei vielen ganz normalen Personen hinter vorgehaltener Hand erlebt habe, dass der zum einen eine gewisse Tradition hat. Zum anderen denke ich, dass diese Leute ein verkrampftes Verhältnis zur deutschen Geschichte haben und irgendwie meinen, zu kurz zu kommen. Nicht selten geht es dann um irgendwelche Steuern, die man bezahlen muss, damit »die in Berlin ein Judenmahnmal bauen können«. Das sind dieselben Leute, die gegen Hartz-IV-Empfänger sind und denken, dass alle Ausländer Sozialbetrüger sind. Auf der anderen Seite, und da kann ich diese Leute auch schon fast wieder verstehen, sind das Menschen, die den Eindruck haben, dass Deutschland seit beinahe siebzig Jahren für die Verbrechen der Nazis zur Rechenschaft gezogen wird und sie etwas ausbaden müssen, was andere getan haben, und das ist tatsächlich schwer nachvollziehbar. Die Verbrechen, die während des Holocausts verübt wurden, sind abscheulich und ohne Vergleich, aber man könnte wirklich den Eindruck haben, dass es einfach nicht aufhört. Von der menschlichen Logik her macht das keinen Sinn. Das übersteigt ja auch das juristische Strafmaß. Wenn man zum Beispiel jemanden umgebracht hat, gefasst wird und vor Gericht kommt, dann wird man verurteilt, bekommt eine Strafe. Lebenslänglich, Geldbuße, Schmerzensgeld – aber wenn man seine Strafe abgesessen hat, dann ist es vorbei. Natürlich bleibt da eine moralische Schuld. Natürlich bleibt man für immer ein Mörder, und wenn derjenige jemanden aus meiner Familie umgebracht hat, dann werde ich ihn bis an sein Lebensende hassen. Ich werde auch nicht, nachdem er seine zehn oder 15 Jahren abgesessen hat, sagen können, dass es jetzt gut ist, aber für den deutschen Staat, für die Justiz, für die Gesellschaft ist der Täter dann erst einmal jemand, der seine Strafe verbüßt hat. Er kann wieder versuchen zu arbeiten, kann versuchen, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Das Thema ist für die Gesellschaft erst mal gegessen. Wann aber ist die Schuld der Deutschen gegessen? Wann ist das vorbei, diese Schuld, die man sich vor siebzig Jahren aufgebürdet hat, die sich Menschen aufgebürdet haben, die nun nach und nach alle sterben?
    Andererseits ist es natürlich auch so, dass gerade diese Erfahrungen aus der Vergangenheit und die besondere Verantwortung der Deutschen dazu geführt haben, dass die politische Aufgeklärtheit und die Freiheitlichkeit in Deutschland so groß sind. Ich sehe ja auch ein,

Weitere Kostenlose Bücher