Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
Schulkarriere oder ein Studium in seinem Freundeskreis Akzeptanz zu finden als innerhalb der Familie.
Wirklich straight zu bleiben ist schwer, denn das Getto zieht dich immer mit aller Macht zurück und manchmal will man sich und den alten Kumpels beweisen, dass man sich nicht verändert hat. Es gibt ja auch viele, die Köpfchen haben und trotzdem im Knast landen – warum? Weil sie mit ihren Kumpels irgendwelche Tankstellen überfallen, um zu beweisen, dass sie noch immer dazugehören, trotz Gymnasium oder Universität. Es ist sehr, sehr schwierig, diesem Gruppenzwang zu entkommen, und die anderen lassen dich ja auch nicht gehen. Sie machen dir einen Vorwurf daraus, sie machen dir ein schlechtes Gewissen und wollen, dass du dich als Verräter fühlst. Wenn man aussteigt, sprengt man ja auch das System, denn wenn man sich verändert – und wenn es nur für sich selbst ist –, verändert man gleichzeitig die gesamte Struktur und die anderen müssten dann erkennen, dass der Fehler bei ihnen liegt und sie sich einfach nicht für andere Dinge interessieren, keine Disziplin haben oder auch nicht das Know-how besitzen, sich auf einer anderen Ebene zu etablieren. Das schafft Neid und führt dazu, dass man den anderen schlechtmacht, der es versucht und umsetzt.
Auf der anderen Seite kenne ich auch selbst diese Abneigung gegenüber den aalglatten gesellschaftlichen Aufsteigern mit Migrationshintergrund. Als ich mein Praktikum im Bundestag gemacht habe, war ich auf dem Sommerfest der mittelständischen Unternehmer und da kam so ein Türke zu mir, hat seine Visitenkarte auf den Tisch gelegt und wollte, dass ich mich bei ihm melde. Der war so schleimig, dass es schon fast eklig wurde. So eine gesunde Mischung eines coolen »Macho-Kanaken«, der was im Kopf hat und ganz normal arbeitet und vernünftig ist, das würde ich mir wünschen, aber offenbar ist es schwierig, da die perfekte Mitte zu treffen. Entweder du bist der totale Neandertaler oder du bist die Ultratucke. Anscheinend gibt es immer nur Extreme. Ach Scheiße.
Ein heikles Thema – Homosexualität
Homosexualität und die arabische Großfamilie. Homosexualität und Migranten. Mittlerweile hat sich ja herauskristallisiert, dass die meisten Bundesbürger mit Migrationshintergrund gewisse Vorbehalte gegenüber Schwulen und Lesben haben, ja dass sich sogar eine richtige Schwulenfeindlichkeit beobachten lässt. Aus diesem Grund würde ich bei der Frage »Homosexualität unter Ausländern« auch erst einmal antworten: »Gibt’s nicht! Ausländer sind nicht schwul. Passt nicht zum Männlichkeitsbild. Passt nicht zum Machogehabe. Passt nicht zur religiösen Vorstellung. Passt nicht zur Weltanschauung und da kannst du fragen, wen du willst, egal, ob Jugo, Libanesen, Türken oder Schwarzafrikaner. So was gibt’s nicht.«
Aber machen wir uns nichts vor. Natürlich gibt es Homosexualität auch unter Migranten und wir müssen lernen, damit umzugehen.
Ich habe neulich sogar meine Frau gefragt, was wir machen würden, wenn wir einen Sohn bekommen würden und der würde schwul werden. Das wäre uns beiden höchst unangenehm und auch meine Frau hat Angst davor. Wir würden uns definitiv nicht darüber freuen, aber natürlich, sagt sie, natürlich wäre er dann immer noch ihr Sohn, und natürlich, sage ich, wäre er dann auch immer noch mein Sohn, den ich lieben würde – aber es wäre Absturz. Und bevor jetzt der Sturm der Entrüstung losbricht und ich wieder als Schwulenhasser Nummer eins hingestellt werde, möchte ich festhalten, dass es für die meisten heterosexuellen Menschen erst einmal ein Schock wäre, wenn ihr Kind ihnen gestehen würde, dass es homosexuell ist. In unserer Gesellschaft, in der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft, ist Homosexualität eben immer noch etwas Fremdes und wir können so tolerant sein, wie wir wollen, wenn es uns persönlich betrifft, müssen wir erst einmal lernen, damit umzugehen. Man kann ja auch ausländerfreundlich bis zum Gehtnichtmehr sein, tolerant bis zum Anschlag, aber wenn die eigene Tochter mit dem libanesischen Freund nach Hause kommt, müssen auch Radikalliberale erst einmal schlucken oder werden womöglich sogar zum Ausländerfeind. Insofern beschreibe ich hier keine politische Meinung, sondern einfach nur eine Gefühlslage, die den schwäbischen Bauarbeiter wie den Berliner Bierproll oder den fränkischen Ochsenzüchter, den Fabrikanten und den Universitätsprofessor gleichermaßen betrifft, und so fände auch ich die
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