Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
ruhiger geworden waren – Ian hatte sich verabschiedet. Er hatte gespürt, dass er jetzt stören würde – kamen sie zum Kern zurück, zu dem, was sie alle beschäftigte.
Keiner wagte es auszusprechen. Als o fing Mike an.
» So wie es aussieht, wollte Iris heute Sophie aus Eifersucht töten. Das, was wirklich geschehen ist, werden wir spätestens morgen herausfinden. Ich denke, Lene und ich fahren nachher noch am Krankenhaus vorbei und sehen, ob sie vernehmungsfähig ist.«
Mike stellte sein Diktiergerä t eingeschaltet auf den Tisch. Sah Fred fragend an, der nickte.
» Aber eines scheint ebenso klar zu sein. Nämlich – und davon gehen wir jetzt einmal aus - dass sie es war, die Joanne und Marc getötet hat. Da musst du uns jetzt helfen, Fred. Am besten, du fängst am Abend vor dem Tattag an, als du dich vor lauter Kummer betrunken hast.
Hast du an dem Tag das Testament deines Großvaters Jeff gefunden?«
Jetzt sah Fred vö llig verwirrt aus. »Sie wissen von dem Brief?«
» Ja, wir haben alle Papiere - sowohl von Martin als auch von Jeff – mitgenommen und Lene hat sie für uns durchgearbeitet. Sie kann dir sicher noch mehr über damals erzählen, jetzt wo sie weiß, wie sehr eure Familien verzahnt waren und offenbar immer noch sind. Aber jetzt erst einmal zurück zu dem Augenblick, als du das Testament gelesen hast.«
» Ich war so entsetzt! Joanne – ich liebte sie doch und dann diese grausame Forderung! Wie konnte Grandpa Jeff nur auf so eine Idee kommen, das von mir zu verlangen - und dann noch als Letzten Willen , ganz formell! Ich konnte es nicht begreifen. Ich war so traurig über seinen Tod, aber nach dem Lesen war ich nur noch wütend. Ich fühlte mich betrogen – um meinen Frieden, meine Trauer, meine Liebe. Ich rannte durch die Straßen, runter ans Meer. Starrte ins Wasser, setzte mich an den Kai, bis ich fror. Dann rief ich Iris an, holte sie ab im Seven. Wir sind dann in eine Kneipe gegangen und ich habe mich volllaufen lassen. Erst habe ich Iris nur gesagt, dass ich wegen der alten Papiere so aufgeregt und verstört bin. Aber dann, später - hätte ich doch bloß nicht…«
Er brach ab und barg sein Gesicht in seinen Händen. Wieder schimmerte sein Haar rötlich im Lampenlicht. Zacharias, was hast du deinem Ururenkel angetan! Und allen anderen Männern deiner Linie. Wie konntest du so viel Gift säen! dachte Lene.
» Was hast du?«, forderte Mike Fred auf weiterzusprechen.
» Irgendwann habe ich ihr von dem so genannten Testament erzählt, von der Grausamkeit, die ich so schrecklich fand. Ich war eben blau.«
» Hast du auch gesagt, wie sehr du Joanne liebst – und wenn ja, in welchen Worten?«
» Nein, das habe ich vermieden. Aber später weiß ich nicht mehr, was ich alles gesagt habe. Ich war betrunken wie nie, und Iris hat mich nach Hause gebracht. Ich hatte nicht die leiseste Erinnerung daran. Kam erst am nächsten Mittag wieder zu mir. Da war Iris weg. Ich weiß nicht einmal, ob sie bei mir geschlafen hat oder nach Hause ist. Dann bin ich wieder durch die Stadt gelaufen und irgendwann bei Joanne und Marc angekommen. Ich hatte mich entschieden. Ich wollte unbedingt mit Joanne sprechen, ihr alles erzählen. Ich fühlte mich so entsetzlich. Als sie und Marc dann später kamen und sie mir den Schlüssel gab, hätte ich am liebsten geheult.
Wir haben uns ins Wohnzimmer gesetzt und ich habe ihr alles e rzählt. Sie wusste so gut wie überhaupt nichts von ihrer Familie in Deutschland, nur von euch eben, und von dem Besuch damals kannte sie den alten Ort, das Haus steht ja wohl noch heute, wusste nur, dass die Eltern ihrer Urgroßmutter durch einen Brand damals ihre Brauerei verloren hatten. Ich habe ihr erzählt, was ich wusste. Und auch, dass ich glaube, dass der ziemlich jähzornige Zacharias es eben doch war - der Brandstifter, meine ich. Und wie schrecklich ich so einen letzten Willen finde, so erpresserisch und so gemein.«
» Und? Was hat Joanne gesagt?«
» Sie hat mich getröstet und mir gezeigt, dass trotz des ganzen Hasses ja niemand in ihrer Familie zu Schaden gekommen ist. Alles sich nur in den Köpfen der Generationen seiner Nachkommen abgespielt hat. Und dass es auch Vernünftige gab, so wie Martin, der sich nicht hatte anstecken lassen. Oder wie mein Vater, Reginald. Oder ich. Und dann hat sie mich in die Arme genommen und gesagt: ›Weißt du, das ist doch nur Altmännergeschwätz … Eines Tages lachen wir darüber. Vielleicht nicht gleich, aber irgendwann. Das
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