Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
oben.«
Mike Fuller hö rte die Veränderung in Masters’ Stimme. Sie klang jetzt, als ob er etwas auswendig Gelerntes von sich gäbe. Keine Unsicherheit mehr, sondern sicherer Boden.
» Also setzten Sie sich vor den Fernseher. Was haben Sie gesehen?«
Die Frage schien Fred zu ü berraschen. Sie war in seinem Konzept offenbar nicht vorgesehen.
» Ich – ähm, ich zappte durch die Programme. Nichts Besonderes.«
Er sch ien stolz darauf zu sein, wie er die Situation gemeistert hatte und lehnte sich entspannt zurück.
» Hörten Sie trotzdem, was oben vor sich ging?«
Master beugte sich wieder vor. Seine linke Hand schloss sich. Anspa nnung, dachte Mike Fuller.
» Ja, also ich habe gehört, wie sie geredet haben. Meist Joanne.«
» Konnten Sie auch hören, was sie geredet haben?«
» Erst nicht. Später dann schon.«
» In welchem Raum waren sie?«
» Im Schlafzimmer, denke ich.«
» Und wieso konnten Sie sie hören? War die Tür offen?«
» Wieso? Ja, ich denke schon.«
» Aha. Und wieso denken Sie, haben die beiden die Tür offen gelassen? Sie wussten doch sicher, dass Sie sie hören konnten.«
» Das weiß ich doch nicht. Ich hab sie eben gehört.«
Wieder leichte Unsicherheit und Abwehr in seiner Stimme. Seltsa m.
» Und was haben sie gehört?«
» Joanne wollte Marc den Laufpass geben. Die Hochzeit abblasen. Schrie herum, sie wollte ihn nie mehr sehen. Dass er sie nur wegen ihres Geldes heiraten wollte.«
» Hatte sie denn Geld?«
» Ja, ihre Eltern sind ziemlich reich.«
» Und Marcs Eltern?«
» So normal. Sie haben alles daran gesetzt, dass die Zwillinge studieren konnten. Sich das Geld zusammengespart. Der Vater ist bei einer Bank angestellt.«
» Die Zwillinge?«
» Ja, Marc und sein Bruder John. Haben beide studiert. John will gerade nach L.A. überwechseln. Er braucht noch ein bisschen mehr Zeit.«
» Und Sie? Woher kennen Sie Joanne und Marc?«
» Ich kenne sie vom Studium. Schon seit zwei Jahren.«
» Und Ihre Eltern? Sind die auch reich?«
» Nein, meine Alten nicht. Sie haben nicht viel Geld. Ich hab ziemlich gebüffelt und ein Stipendium bekommen. Das war mein Glück.«
» Das freut mich für Sie. Und was haben Sie dann noch gehört?«
Wieder fiel Fred Masters ’ Stimme in den Tonfall, der sicheres Terrain verriet.
» Ja, Marc wurde wütend. Das wäre doch nicht so, hat er gebrüllt. Sie wüsste doch, dass er sie liebte. Aber Joanne hörte gar nicht zu. Sie sah rot. Wollte, dass er aus ihrem Leben verschwindet. Sie könnte einen Besseren finden, schrie sie.«
» Einen Besseren? Gab es denn einen anderen Mann?«
» Nein, nicht dass ich wüsste. Aber es wäre leicht für sie gewesen, so toll, wie sie aussah. Und das Geld dazu.«
Fuller stutzte. Ein seltsamer Tonfall. War Masters in Joanne verliebt gewesen, schrieb er sich in sein Notizbuch. Hatte er eigene Ambit ionen gehabt?
» Haben Sie eine Freundin?«
Masters schaute jetzt verblü fft. Verstand den Gedankensprung nicht. Hätte den vertrauten, erwarteten Gesprächsablauf wohl lieber gehabt.
» Ja. Iris. Iris Johnson.«
» Wie lange kennen Sie sich schon?«
» Wir sind seit zwei Monaten zusammen.«
» Studiert sie auch?«
» Nein, sie arbeitet als Filialleiterin bei SEVEN in der Market.«
» Da hat sie sicher oft Nachtschicht. Auch am 1. April?«
Wieder zö gerte Fred. Vielleicht musste er sich ja erst erinnern.
» Ja, ich glaube.«
» Zurück zu Marc und Joanne. Marc, der Vernünftige, brüllte also zurück. Und dann?«
» Ja, das ging so hin und her. Bis Marc schrie, dass er sie lieber umbringen würde als sie zu verlieren.«
» Hat er das genauso gesagt? Mit denselben Worten?«
» Ich denke schon. Dann hörte ich zwei Schüsse.«
» Einfach so? Keine Vorwarnung, kein Aufschrei von Joanne?«
» Das weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall waren da plötzlich zwei Schüsse. Ich lief zur Treppe, war halb oben, da fiel noch ein Schuss.«
» Wie viele Stufen hat die Treppe? Wo waren Sie, als der letzte Schuss fiel?«
» Weiß ich nicht. Ich war etwa auf der Hälfte. Aber es war zu spät.«
Fred Masters barg sein Gesicht in seinen Hä nden.
» Ich kam zu spät. Ich konnte nichts mehr tun. Es war so schrecklich. Beide tot.«
» Ja, ich kann mit Ihnen fühlen. Das ist sicher schwer, wenn man seine Freunde so findet. Das war es auch für heute. Bitte bleiben Sie in der Stadt. Wir brauchen Sie sicher noch einmal.«
» Natürlich. Sie wissen ja, wo ich zu erreichen bin.«
» Ja. Ach, übrigens, mit wem
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